Wer immer noch nicht genug vom Medienrummel um ein – nicht das – Higgs-Boson hatte, der war gestern zu einer Abendvorlesung an der Uni Bonn eingeladen. Und tatsächlich strömten bis zum Beginn um halb 8 einige hundert Leute zum Vortrag „Ein Abend mit dem Higgs-Teilchen“. Der übervolle Hörsaal 1 bestand überwiegend aus älteren Semestern, aber auch interessierte Jugendliche fanden sich im Publikum. Und wie man an den Fotos erkennen kann, war’s trotz der trockenen theoretischen Physik und dem Durcheinander an Teilchen und Zahlen sogar eine recht bunte Higgs-Show.
Im ersten Teil der drei aufeinander aufbauenden Vorträge ging’s um die Grundlagen: Symmetrien (farbenfroh durch Kristall und Legosteine darstellt), Higgs-Mechanismus, Higgs-Feld, Elementarteilchen, spontane Symmetriebrechung. Und zum bekannten Sombrero-Potential aus der Theorie gab’s neben der berühmten Cocktail-Party-Analogie noch ein weiteres Alltags-taugliches Beispiel für den Higgs-Mechanismus – quasi für die Festivalgänger unter uns.
Nachdem in das vor fast 50 Jahren u.a. von Peter Higgs entworfene Theoriegebäude eingeführt wurde, stellten zwei junge Doktoraden das CERN und den LHC vor. Dabei wurde erstmal gleich mit dem üblichen Klischee von alten Physikern mit grauem und etwas wirrem Haar aufgeräumt, wobei beispielhaft Einstein und CERN-Direktor Heuer herhalten mussten. Zumindest für Grundschüler nach einem CERN-Besuch kann der Physiker von heute sehr wohl eine Frau mit kurzem Kleid, Stiefeln und einem Apfel auf dem PC sein.
Was nun genau im LHC gemacht wird und wie eigentlich der Bonner Beitrag zum Pixeldetektor im ATLAS-Experiment (siehe auch Teil 1) aussieht, wurde von beiden Jungphysikern in einem lebendigen Vortragsstil vorgestellt. Ebenso erläuterten sie, wie der Arbeitsalltag und die aktuelle CERN-Forschung der Bonner Physiker aussieht; die Arbeitsgruppen bestehen bei vier Professoren, rund 20 Doktoren und 50 Doktoranden aus immerhin 17 Nationalitäten.
Und wie findet man nun eigentlich so ein Higgs-Boson? Ganz einfach, steht doch drauf …
Ganz so einfach ist es dann doch nicht, wie im dritten Beitrag deutlich wurde. Hier ging es um die komplexe Datenanalyse, die aufwändige Suche in den verschiedensten Zerfallsprozessen, die bei den unvorstellbaren 40 Millionen Teilchenkollisionen pro Sekunde, die mit der 80-Megapixel-Kamera aus Bonn beobachtet werden, entstehen. Wie kompliziert es ist, in den Datenmengen der verschiedenen Detektoren von ATLAS indirekt ein Higgs dingfest zu machen, wurde mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen verglichen, wobei sie zu finden 100 Millionen Mal wahrscheinlicher ist.
Und dann kam doch der Tag, der 04. Juli 2012: das – sowie der – Higgs zum Greifen nah …
Zum Abschluss der 90-minütigen Higgs-Vorlesung waren schließlich die harten Fakten von ATLAS und CMS zu sehen. Und wie es schon vor einer Woche am CERN hieß, so wurde auch an diesem Abend mehrfach darauf hingewiesen: Es ist erst der Anfang. Und während weiter in den Zahlen nach dem (bestätigendem) Higgs-Signal gesucht wird, so analysieren die Bonner Teilchenphysiker die Datenmengen nach Hinweisen von theoretischen Higgs-Zerfällen in Tau-Leptonen und Bottom-Quarks.
Nach einer Fragerunde war die Abendveranstaltung (weitere Bilder hier) längst nicht vorbei, denn noch bis um 10, als der Hörsaal abgeschlossen werden musste, wurden die fünf Physiker weiter mit Fragen gelöchert.
12.07.2012