Wie man sich über eine Spektrallinie des Elements Europium freuen kann, weiß Astrophysikerin Anna Frebel nur zu gut. Es war gewissermaßen ein besonderes Geschenk zu ihrem 25. Geburtstag, denn während sie noch an ihrer Doktorarbeit schrieb, begann damit im April 2005 die Entdeckungsgeschichte zu ihrem zweiten Rekordstern. Allein über die Analyse des Lichts des 11,1mag schwachen HE 1523-0901 entdeckte sie den bis dato ältesten Stern – mit einem Alter von rund 13,2 Milliarden Jahren. Ebenso spannend war auch ihre Entdeckung des metallärmsten Sterns, die im April 2003 begann.
Und der Zauber der Sterne lässt die als stellare Archäologin oder als „Trulla mit den metallarmen Sternen“ bekannte Sternforscherin immer noch nicht los. So erschien 2012 ihr erstes Buch „Auf der Suche nach den ältesten Sternen“, in dem sie neben viel Theorie auch ganz persönliche Erlebnisse ihrer Arbeit in Australien am Siding Spring und in Chile am Las Campanas schildert. So wird die Astronomie als Beruf nochmal besonders lebendig. Und da mich Sterne aller Art und ihre Entwicklung seit vielen Jahren ebenso völlig begeistern, freue ich mich besonders, dass sich MIT-Astrophysikern Anna Frebel etwas Zeit für einige StarTalk-Fragen genommen hat. Hier bei Youtube oder hier in einem Podcast erfährt man außerdem noch mehr über ihre Arbeit.
13 Fragen an Anna Frebel …
- Sie widmen Ihr Buch den Frauen in der Wissenschaft. Welche sind Ihre persönlichen Vorbilder?
Generell habe ich mich schon immer für Frauen in der Wissenschaft interessiert, da ich es interessant fand was sie erfoscht haben, aber auch wie sie gelebt haben und wie mit ihnen in der Gesellschaft umgegangen wurde. Da die meisten es zu ihren Zeiten nicht einfach hatten (Caroline Herschel, Lise Meitner, Marie Curie, Annie Jump Cannon, Jocelyn Bell Burnell, etc.), bin ich froh, dass ich heute in einer Welt lebe, in der es etwas einfacher ist, auch wenn Frauen in der Wissenschaft und auch der Gesellschaft oft immer noch benachteiligt werden. Diese Frauen dienen uns deshalb als Vorbild, da sie sich trotz aller Hürden nicht davon abbringen ließen, das zu tun, wozu sie motiviert waren, worin sie gut waren und worin sie ihre Aufgabe sahen: nämlich Forschungsarbeit in den Naturwissenschaften.
- Welche Frau der Wissenschaftsgeschichte hätten Sie gerne einmal kennengelernt?
Marie Curie auf jeden Fall. Schon als Jugendliche habe ich ihre Biografie gelesen und ich fand ihre Entdeckungen und ihre Lebensgeschichte wahnsinnig spannend. Aber auch mit Annie Jump Cannon hätte ich mich gerne einmal über Sternklassifizierungen unterhalten und wie die Arbeit damals am Harvard College Observatory war (ich war ja von 2009 bis Ende 2011 selbst als Postdoc dort tätig, allerdings heisst das Zentrum dort heute Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics).
- Heute können Astronomen ihre Beobachtungen vom warmen Büro aus durchführen und haben das Spektrum direkt auf dem Bildschirm. Als vor 100 Jahren die ersten Großteleskope entstanden, wurde noch in kalten Sternwartenkuppeln mit Fotoplatten gearbeitet und Spektren untersuchte man mit einem Mikroskop. 1913 oder 2013: Was wäre Ihre Wahl?
2013 natürlich! Die Teleskope sind ja inzwischen viel größer! Beobachten ist aber auch heute nach ziemlich anstrengend. Im Winter sind die Nächte mehr als 12 Stunden lang und mit Vorbereitungen und Essen bleibt kaum Zeit zum Schlafen. Bei meinem letzten Beobachtungs-Run hatte ich im Schnitt 5 Stunden pro Tag für 5 Tage. Wenn ich dann noch mit Fotoplatten im eiskalten Dom hätte hantieren müssen, wäre ich wohl irgendwann einfach umgefallen.
- Bei Ihren nächtlichen Beobachtungen wird auch schon mal Musik laut aufgedreht. Zum Beispiel?
Inzwischen sind das alle möglichen gesammtelten Werke. Früher habe ich aber immer gern den Amelie-Soundtrack und verschiedene australische Bands gehört.
- Je metallärmer, desto älter muss ein Stern sein. Das Alter von HE 1523-0901 (Fe/H = -2,95) haben Sie zu 13,2 Milliarden Jahren bestimmt. Wieviel älter wird dann Ihr zweiter Rekordstern HE 1327-2326 (Fe/H = -5,6) sein?
Das Alter für HE 1327-2326 können wir leider nicht bestimmen. Der Stern enthält keine messbaren Mengen von radioaktiven Elementen, da er anscheinend aus einer anderen Gaswolke als HE 1523-0901 entstanden ist. Da bleibt uns nur die Eisenhäufigkeit übrig und das Argument, dass der Stern aufgrund seiner so geringen Eisenhäufigkeit sehr alt sein muss. Diese winzige Menge ist nämlich schon fast mehr als das, was in einer Supernovaexplosion synthetisiert wird. Es ist also durchaus möglich, dass HE 1327-2326 der zweiten Sterngeneration angehört und somit dann wohl 13 bis 13,5 Milliarden Jahre alt ist. Aber messen kann man das leider nicht.
- Wie beurteilen Sie die aktuelle Arbeit von Bond et al. zu HD 140283 (Fe/H = -2,4), nach der der Stern vermutlich sogar 13,7 Milliarden Jahre alt sein soll?
Den Stern HD 140283 kenne ich sehr gut, denn er wurde schon um 1950 entdeckt und wird von mir und anderen regelmäßig beobachtet und oft als Vergleichs- und Teststern genutzt. Es ist natürlich toll, dass für diesen Stern ein Alter bestimmt werden konnte! Allerdings nicht über die radioaktiven Elemente wie bei HE 1523-0901, sondern über ganz genaue Bestimmungen der stellaren Parameter wie Oberflächentemperatur, Schwerebeschleunigung an der Oberfläche und natürlich die Eisenhäufigkeit. Diese Parameter beschreiben den Stern und seinen Entwicklungszustand. Wenn man die gemessenen Werte mit Modellrechnungen zur Sternentwicklung vergleicht, kann dann das Alter – sprich den ganz genauen Entwicklungszustand – bestimmt werden. Das klappt aber nur für wenige ganz helle Sterne. Da HD 142083 sehr hell ist (7,2mag) war das eben möglich (sonst wäre er kaum schon um 1950 entdeckt worden). Genauso wie wir Messunsicherheiten mit der Vermessung der radioaktiven Elemente in Sternen wie HE 1523-0901 haben, gibt es bei dieser Methode natürlich auch Unsicherheiten, vor allem mit den Modellen. Alles in allem können wir aber annehmen, dass alle diese metallarmen Sterne sehr alt sind, also fast so alt wie das Universum selbst – ganz egal, ob da radioaktives Material im Stern von einer Vorgänger-Supernova ist oder nicht. Diese Bestätigung ist also sehr willkommen und zeigt, dass unsere Annahme, dass metallärmere Sterne äter sind als metallreichere, in der Tat stimmt!
- Sie haben mal gesagt: „Beim Blick in den Himmel kann man (mit oder ohne Teleskop) unendlich viel staunen!“ Worüber staunt eine Astrophysikerin wie Sie – angesichts von Hitech-Spektrografen, Riesenspiegeln und Algorithmen – beim Anblick des Nachthimmels?
Na, dass es so viele Sterne am Himmel gibt, natürlich! Und dass es einfach so schön ist, die Milchstrasse so prächtig erleben zu können und das galaktische Zentrum direkt über sich zu haben. Das ist so hell, da braucht man keine Taschenlampe mehr!
- Vor 200 Jahren entdeckte Fraunhofer im Sonnenlicht den Schlüssel zur Astrophysik. Für mich ist es die fantastischste Sache, dass man alles aus den Eigenschaften der Spektrallinien weit entfernter Lichtpunkte ablesen kann – von durch Planetenmaterial verschmutzten Weißen Zwergen, über die Verteilung von Sternflecken mit ihren Magnetfeldern, bis zur Charakterisierung von Exoplaneten-Atmosphären.
Genau! Das haben wir der Physik zu verdanken. Sonst wäre ich wohl arbeitslos, denn ich bin ja Spektroskopikerin.
- Kepler wusste noch nichts von der Analyse von Sternspektren, schrieb aber bereits: „Mir kommen die Wege, auf denen die Menschen zur Erkenntnis der himmlischen Dinge gelangen, fast ebenso bewunderungswürdig vor wie die Natur dieser Dinge selber.“
Ja, es ist schon erstaunlich wie Wissenschaftler Sachen über unsere Welt und den Kosmos herausfinden! Aber das ist ja, was den Spaß an der Forschung bringt, nämlich sich Experimente auszudenken, mit denen etwas Neues gefunden werden kann.
- Woran arbeiten Sie gerade ganz aktuell?
Verschiedene Sachen: Von Analysen alter Sterne in der Milchstraße und in Zwerggalaxien, über Theorien zur Sternentstehung im frühen Universum und zu kosmologischen Simulationen, um die Lebenswege der 13 Milliarden Jahre alten Sterne nachvollziehen zu können.
- Und ab 2020 buddeln Sie als stellare Archäologin mit dem G-CLEF-Spektrografen …
Genau! Zumindest planen wir diesen Spektrografen momentan fuer das 25 Meter große Giant Magellan Telescope (GMT) [Bild 1 und 3], welches etwa ab 2020 auch in Chile auf dem Nachbarberg zu den beiden Magellan-Teleskopen stehen soll. Damit können wir dann hoffentlich sehr viel weiter in den Halo der Milchstraße hinausschauen, um unsere Galaxie und ihre Entwicklungsgeschichte noch besser zu verstehen.
- Welches sind Ihre unvergesslichsten Astroerlebnisse?
Die Entdeckungen und Entdeckungsgeschichten meiner wichtigsten Sterne. Nachts die Milchstraße von der südlichen Halbkugel aus anzuschauen (während langer Belichtungszeiten in Chile). Nach Australien und die USA zu ziehen (für die Astronomie) und alle meine Reisen um den Erball zu Konferenzen und für Beobachtungen.
- Das Universum in einem Satz:
Ziemlich groß, ziemlich spannend und es gibt noch jede Menge Details zu erforschen!
Vielen Dank für das Interview!
23.06.2013