Zufall zur Mondfinsternis: Meteoriteneinschlag auf dem Mond!

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Es ist Montag um 5:41 MEZ. Während tausende Mondfinsternis-Beobachter gespannt auf den Beginn der Totalität warten und ich am Kölner Dom das Foto oben mache, gibt es genau in dieser Minute – exakt um 5:41:43 MEZ – einen Meteoriteneinschlag auf dem Mond. Der blieb zunächst unbemerkt, aber noch am selben Tag beginnt auf Reddit die Diskussion über einen möglichen Impakt. Der Hinweis kommt von zwei Bildern aus Mondfinsternis-Livestreams aus Marokko und Los Angeles (Griffith Observatory). Die zeigen nämlich an der selben Stelle auf dem Mond ein sehr kurzes Aufblitzen, wie man es von Impaktblitzen kennt. Auf Reddit und Twitter wird immer mehr Foto- und Videomaterial gepostet, so dass tatsächlich am nächsten Tag feststeht: Hier ist pünktlich zur totalen Mondfinsternis ein Brocken in den Mond eingeschlagen. Was für ein irrer Zufall! Hier wurden die bisherigen Nachweise gesammelt.

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Impaktblitz (links) zur totalen Mondfinsternis; Christian Fröschlin

Eins der bisher besten Bilder hat Christian Fröschlin in Den Haag mit seinem 8-Zöller von Celestron gemacht; dieses Ergebnis hat etwas mehr Kontrast. Seine Aufnahme zeigt deutlich den Impaktblitz nahe des linken Mondrandes. Außerdem ist erkennbar, dass das Aufblitzen heller als der darüber stehende 8,5mag-Stern ist. Und mittlerweile gibt es auch aus Deutschland Bestätigungen dieses MoFi-Volltreffers. Nämlich von der Sternwarte Sankt Andreasberg im Harz und von der Sternwarte Radebeul (Video bei der Zeitmarke 2:33:24). Ich bin gespannt, ob noch mehr Nachweise gepostet werden. Zur Überraschung gibt es sogar Sichtungen mit bloßem Auge! So etwa von Hobbyastronom Marcus Thiel, der die Beobachtung so beschreibt: „Auch ich kann die visuelle Wahrnehmung des kurzen Lichtblitzes mit freiem Auge bestätigen. Hatte die MoFi entspannt mit Feldstecher und freiem Auge beobachtet. Das kurze Aufblitzen am linken Mondrand (~ unteres Viertel) aber zunächst für eine subjektive Wahrnehmung gehalten.“

Übrigens: Von Amateuren konnte die Impaktstelle bis auf 4 Kilometer eingekreist werden. Sie liegt südlich des Strahlenkraters Byrgius A und unweit von Lagrange C. Der Impaktor war vermutlich einige Kilogramm schwer und hinterließ einen Krater von um die 10 Meter Durchmesser. Bei den nächsten Überflügen des Mond-Orbiters LRO sollte sich der Krater aufspüren lassen. Dieses Vorher-Nachher-GIF zeigt einen neuen 12-Meter-Krater.

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23.01.2019

Erstmals Quelle eines Hochenergie-Neutrinos entdeckt

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Mehr als Milliarden Milliarden Milliarden von ihnen strömen durch die Erde, fast ungehindert, ohne Unterlass, mit nahezu Lichtgeschwindigkeit und in jeder Sekunde. Die Rede ist von Neutrinos. Sie werden oft als Geisterteilchen bezeichnet, weil sie nur äußerst selten mit normaler Materie wechselwirken, was Nachweise mit entsprechenden Neutrino-Detektoren ebenfalls extrem schwierig macht. Doch sie sind da. Auf der Erdoberfläche gehen etwa 65 Milliarden Neutrinos pro Sekunde durch eine Fläche eines Daumennagels (cm²). Sie alle stammen von der Sonne, wobei sie bei der Kernfusion in ihrem Kern entstehen. Vor 50 Jahren wurden diese theoretisch vorhergesagten Teilchen der Sonne entdeckt. Vor gut 20 Jahren wurden schließlich erstmals extragalaktische Neutrinos detektiert. Sie stammten aus der Supernova 1987A in der Großen Magellanschen Wolke (LMC).

Um ein Vielfaches seltener sind die hochenergetischen Neutrinos (die sog. „cosmogenic neutrinos“), denn von ihnen erreichen nur ungefähr 10 Neutrinos pro Jahr und Quadratkilometer den Erdboden. Ihr Ursprung wurde lange Zeit in den Zentren von aktiven Galaxien vermutet, doch bislang war das alles nur Theorie. Trotz der geringen Nachweischancen ist das Neutrino-Teleskop IceCube genau für diese hochenergetischen Geisterteilchen ausgelegt. Wie der Name schon andeutet, ist IceCube ein Teleskop mit über 5.000 lichtempfindlichen Sensoren, die in einem Würfel von einem Kilometer Kantenlänge untergebracht sind; wobei sich alles 1,4 Kilometer unter dem Eispanzer des Südpols befindet.  Dort soll ein neues Fenster in der extragalaktischen Neutrino-Astronomie geöffnet werden, um mehr über Aktive Galaxienkerne (AGN) und die Kosmische Strahlung zu erfahren. Allerdings ist dabei die große Herausforderung: Woher weiß man von welchem Objekt das Neutrino losgeschickt wurde? Letztlich muss alles ganz schnell gehen, wenn man den Ursprungsort eines Neutrinos dingfest machen will.

Am 22. September 2017 um 22:54 MESZ löste nach Milliarden Jahren Reisezeit eins jener hochenergetischen Geisterteilchen eine Kernreaktion in den Atomen des ewigen Eises aus, wodurch ein Myon emittiert wurde, das dann seinerseits ein Lichtsignal im Südpol-Observatorium erzeugte. Der Neutrino-Alarm ging umgehend an zahlreiche andere Teleskope weltweit, und tatsächlich konnte in den Tagen danach ein Ursprungsort identifiziert werden. Beispielsweise empfingen Fermi im Weltraum und MAGIC am Boden sehr hohe Gammastrahlung, auch visuell zeigte das Objekt eine erhöhte Aktivität. So konnte mit erdgebundenen Beobachtungen und Weltraumteleskopen (siehe Bild unten)  tatsächlich der Blazar TXS 0506+056 mit ziemlicher Sicherheit als Neutrino-Quelle für das EHE (Extremely High Energy)-Signal 170922A identifiziert werden. Das ist das erste Mal, dass eine Neutrino-Beobachtung so etwas möglich gemacht hat, und vor allem ist es ein weiterer großer Erfolg in der sog. Multi-Messenger-Astronomie. Mit dieser Entdeckung können Theoretiker u.a. mehr über die hochrelativistische Teilchenbeschleunigung von supermassereichen Schwarzen Löchern erfahren. Diese stoßen Jets mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aus, und wenn einer wie bei TXS 0506+056 in Richtung Erde weist, wird so ein Aktiver Galaxienkern (AGN) als Blazar bezeichnet. Durch die Beobachtungen des Neutrinos und nachfolgend der elektromagnetischen Strahlung geht man jetzt davon aus, dass durch die gleichen Prozesse im Jet energiereiche Neutrino- und Gammastrahlung erzeugt wird. Das mit IceCube registrierte Hochenergie-Neutrino hatte übrigens eine Energie von grob 290 TeV; der LHC-Beschleuniger am CERN erreicht aktuell 13 TeV. Es ist also wahrscheinlich, dass tatsächlich Schwarze Löcher Neutrinos auf höchste Energien beschleunigen können. Mit Folgebeobachtungen konnte außerdem über die Rotverschiebung (z=0,336) die Entfernung des Blazars bestimmt werden. Desweiteren wurden in IceCube-Archivdaten von Ende 2014 bis Anfang 2015 19 weitere Neutrinos gefunden, von denen 6 zum erwarteten Hintergrundrauschen gehören, die verbleibenden sollen jedoch ebenfalls von dem Milliarden Lichtjahre fernen Schwarzen Loch stammen.

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Die elektromagnetische und die Neutrino-Strahlung des Blazar-Flares brauchte rund 3,8 Milliarden Lichtjahre zu uns. Das Objekt ist um die 15,0mag hell (strahlt damit so hell wie eine Billion Sonnen) und befindet sich nicht weit vom Schulterstern Bellatrix im Orion (während des Neutrino-Signals befand sich das Sternbild noch unter dem Horizont). Im Winter versuche ich mal mein Glück mit dem 12-Zöller.

Weitere Artikel:

Ist die Herkunft kosmischer Neutrinos geklärt? (FAZ vom Mai 2018)

Ein Erfolg der „Multi-Messenger“-Astronomie (Skyweek 2.0)

Eine Galaxie schießt mit Neutrinos (und noch viel mehr): die ganze Geschichte (Abenteuer Astronomie)

12.07.2018

Kommt heute der optische Nachweis von Gravitationswellen?

Nachdem erst am 27. September das mittlerweile 4. Gravitationswellen-Ereignis (GW170814)  vorgestellt wurde, dass zusätzlich erstmals von drei Detektoren (zwei LIGO-Stationen und -erst seit 01. August dabei – der VIRGO-Detektor in Italien) beobachtet werden konnte, und am 03. Oktober die Bekanntgabe folgte, dass der Physik-Nobelpreis 2017 für den direkten Nachweis von Gravitationswellen verliehen wird, könnte es heute die nächste große Neuigkeit binnen kurzer Zeit in der noch jungen Gravitationswellen-Astronomie geben. Die Pressekonferenz von LIGO und VIRGO soll um 16:00 MESZ beginnen und kann natürlich auch als Livestream verfolgt werden.

Im Vorfeld verdichteten sich die bisherigen Gerüchte nochmals, nach denen heute sehr wahrscheinlich bekannt gegeben wird, dass zum ersten Mal ein Signal detektiert wurde, dass nicht wie bisher von der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher stammt, sondern von der Kollision zweier Neutronensterne. Dass würde bedeuten, dass neben der Abstrahlung von Gravitationswellen auch ein elektromagnetisches Signal emittiert wurde, das in Form eines sog. kurzen Gammastrahlenausbruchs (short Gamma Ray Burst, sGRB) empfangen wurde. Sogar optisches Licht jenes Gammablitzes GRB170817A soll beobachtet worden sein; das Gravitationswellen-Gegenstück heißt demnach GW170817. Und als Zugabe könnte sich noch bestätigen, dass sich das GRB/GW-Ereignis in der Galaxie NGC 4993 abspielte, wodurch es zum nahesten kurzen Gamma Ray Burst überhaupt wird. Zusammengenommen bedeutet das somit, dass uns diese erstmalige parallele Sichtung – im Gravitationswellen- und elektromagnetischen Fenster – mehr über kurze Gammastrahlenausbrüche erzählen und das Neutronenstern-Kollisionsszenario bestätigen könnte!

In drei Stunden wissen wir endlich mehr …

Mehr zu diesen Gerüchten hatte ich schon mal hier zusammengefasst. Empfehlenswert ist noch  dieser Blog-Beitrag und ein Youtube-Video:

16.10.2017

GRB 170817A: Wurden Gravitationswellen einer Neutronenstern-Kollision beobachtet?

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Bei der Annäherung und Verschmelzung zweier Neutronensterne werden Gravitationswellen abgestrahlt und gleichzeitig entsteht eine hochenergetische Explosion; NASA

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Seit mittlerweile einer Woche rauscht es wieder ordentlich im digitalen Blätterwald von Twitter. Auslöser jener Gerüchte waren die am 18. August binnen einer Stunde gesendeten Tweets zweier Astronomen, die damit eine neue sensationelle Entdeckung der LIGO-Gravitationswellen-Detektoren ankündigten. Von offizieller Seite wird das Gerücht weder dementiert noch bestätigt. Bisher konnten mit den beiden LIGO-Stationen in Washington und Louisiana drei bestätigte Gravitationswellen-Signale detektiert werden, die allesamt von der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher stammen. Die genannten Twitter-Meldungen sprechen jedoch von einem völlig neuen Phänomen, denn offenbar wurde erstmals ein „optical counterpart“, ein optisches Gegenstück, zu einer Gravitationswellen-Quelle entdeckt. Stimmt also das Gerücht, so wäre es das erste Mal, dass von ein und derselben Quelle gleichzeitig Gravitationswellen (mit LIGO) und elektromagnetische Strahlung (mit „normalen“ Teleskopen) beobachtet wurden. Das würde das neue Fenster in der noch jungen Gravitationswellen-Astronomie noch einmal ein großes Stück weiter aufstoßen. Dass nun erstmals zeitgleich auch (elektromagnetische) Strahlung empfangen wurde, deutet außerdem darauf hin, dass die Graviationswellen nicht von der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher stammen. Man vermutet vielmehr, dass hier die Neutronenstern-Kollision (ein sog. Binary Neutron Star Merger) eines kurzen Gammastrahlenausbruchs (GRB) beobachtet wurde.

Der nur 2 Sekunden dauernde Gamma Ray Burst wurde am 17. August um 14:41 MESZ vom Weltraumteleskop Fermi detektiert und erhielt die Bezeichnung GRB 170817A. Auf weiteren Twitter-Kanälen und anderen Seiten, über die man Forschung in Echtzeit verfolgen kann, gibt es noch mehr Hinweise zur Verbindung zwischen Gammastrahlenausbruch und Gravitationswellen-Signal. So erfährt man über diese Quelle mit Beobachtungsanträgen für das Hubble-Weltraumteleskop (HST), dass sich der kurze GRB in der Galaxie NGC 4993 (nahe psi Hya) ereignete, und klickt man etwas weiter, erfährt man u.a.: „Rapid ToO observations of the first gravitational wave counterparts“ (diese Beobachtungen wurde am 22. und 24. August durchgeführt), „Verifying a candidate counterpart to gravitational waves“ und „GRB170817A is the most nearby short GRB ever discovered“. Mit 130 Millionen Lichtjahren ist NGC 4993 tatsächlich die naheste Galaxie, in der ein kurzzeitiger Gamma Ray Burst beobachtet wurde, und schon allein diese Tatsache ermöglicht ganz neue detailierte Beobachtungen. So ermöglicht die „geringe“ Entfernung ganz neue Einblicke – beispielsweise ob diese hochenergetischen Sternexplosionen tatsächlich durch die Kollision von Neutronenstern-Paaren entstehen. Auch sichtbares Licht wurde von GRB 170817A empfangen – mit der DECam am 4-Meter-Teleskop des CTIO (Cerro Tololo Inter-American Observatory). Des Weiteren sollen auch das Radioteleskop ALMA und das Röntgen-Weltraumteleskop Chandra an Nachfolgebeobachtungen beteiligt sein.

Und würde sich darüber hinaus das Gerücht zum parallelen LIGO-Gravitationswellen-Signal bewahrheiten, würde die Sichtung zugleich das Kollisionsszenario für kurze Gammastrahlenausbrüche bestätigen. Die Verschmelzung zweier Neutronensterne ist nach wie vor die führende Theorie für ihre Erklärung, und die LIGO-Sichtung könnte dazu einen bahnbrechenden Beitrag leisten. Und das alles passiert ausgerechnet zum 50. Geburtstag der Entdeckung der Pulsare bzw. Neutronensterne. Gestern ging erstmal die aktuelle 9-monatige LIGO-Beobachtungskampagne zu Ende (seit dem 01. August mit der italienischen VIRGO-Station); in einer Meldung hieß es: „Some promising gravitational-wave candidates have been identified in data from both LIGO and Virgo during our preliminary analysis, and we have shared what we currently know with astronomical observing partners. We are working hard to assure that the candidates are valid gravitational-wave events, and it will require time to establish the level of confidence needed to bring any results to the scientific community and the greater public.“ Bis zu einer offiziellen Bekanntmachung wird es sicher ein paar Monate dauern, aber wir dürfen gespannt sein.

Weitere Artikel finden sich hier (Übersetzung via Spektrum), hier, hier sowie hier.

26.08.2017

Junge Supernova 2017eaw in NGC 6946 entdeckt

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Das Entdeckungsfoto der SN 2017eaw wurde am 14. Mai aufgenommen; Patrick Wiggins

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Wenige Stunden nach der Entdeckungmeldung kam aus Arizona dieses Bestätigungsbild; Gianluca Masi

Der Spitzname Fireworks Galaxy bzw. Feuerwerksgalaxie für NGC 6946 entstand weniger wegen ihres Aussehens, sondern hat etwas mit der Häufigkeit von Supernovae zu tun. Ganze 9 Sternexplosionen sind bisher dort beobachtet worden, doch seit gestern ist diese Spiralgalaxie auf der Sternbildgrenze von Kepheus und Schwan nun endgültig die Galaxie mit den meisten Supernovae. Genau 100 Jahre nach SN 1917A macht NGC 6946 die 10 Stück voll! Zunächst war die Supernova 2017eaw nur ein neuer Stern auf einer Aufnahme eines amerikanischen Hobbyastronomen aus Utah. Patrick Wiggins hat das Bild am gestrigen 14. Mai gegen 5:00 MESZ mit seinem 14-Zöller aufgenommen, und 12 Stunden später verbreitete sich bereits die Entdeckungsmeldung samt Aufnahme.

Kurze Zeit später wurde Wiggins‘ SN-Kandidat bereits durch Spektren zur bestätigten Supernova 2017eaw vom Typ IIP; außerdem wurde schon ein möglicher Vorgängerstern (vermutlich ein Roter Überriese) in alten Archivdaten gefunden. Damit steht für NGC 6946 fest: „This is our most prolific galaxy with now 10 confirmed supernovae discovered.“ Die bisher gewonnenen Spektren sprechen für eine junge Typ-IIP-Supernova (rund 7 Tage vor dem Maximum), deren Explosionswolke sich mit 14.300 km/s ausbreitet. Dass eine 2 Tage zuvor gemachte Aufnahme nichts an der Position zeigt, spricht ebenfalls für eine junge Supernova. Die bei der Entdeckung 12,8mag helle Supernova wird also noch an Helligkeit zulegen. NGC 6946 ist rund 18 Millionen Lichtjahre entfernt, so dass ihre absolute Helligkeit zurzeit bei um die -16,0mag liegt. Typ-IIP-Supernovae können im Maximum -17,0 bis -18,0mag erreichen, weshalb ich mal darauf tippe, dass SN 2017eaw mindestens noch eine Größenklasse zulegen und vielleicht sogar eine 11 vor dem Komma erreichen wird.

Die Galaxie befindet sich auf der Grenze der Sternbilder Kepheus und Schwan und ist auf der Position 20:34:44.24 und +60:11:35.9 zu finden. Die Supernova ist visuell bisher um die 13,0mag hell; aktuelle Helligkeiten werden wie immer von der AAVSO gelistet. Allen Supernova-Beobachtern wünsche ich: Clear Skies ;)

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Die Fireworks Galaxy NGC 6946 auf der Grenze von Kepheus und Schwan; Gemini Observatory, AURA

15.05.2017

Grand Finale: Cassinis erster Flug durch die Ringlücke

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So hat man sich den ersten Durchflug der 2.000 Kilometer breiten Lücke zwischen Saturns Ring und der Planetenkugel vorgestellt – als Echtzeit-Simulation und als Google Doodle. Seit dem 22. April befindet sich Cassini nun offiziell im letzten Abenteuer – das Grand Finale – ihrer 13-jährigen Saturn-Mission. Carolyn Porco, Cassinis „Kamerafrau“, freut sich sichtlich über das begonnene Finale: „In these final orbits, will also measure ’s rotation rate, composition, ring mass (& age) & more. It’s a whole new mission!“ Und schließlich soll der Orbiter nach wie vor in wenigen Monaten am 15. September 2017 in der Saturnatmosphäre verglühen. Doch nun stand erstmal die erste von insgesamt 22(!) Ringkreuzungen an. Gestern Vormittag um 11:00 MESZ raste die Sonde mit über 120.000 km/h erstmals zwischen Ring und Planet hindurch. Die Hauptantenne wurde dabei in Flugrichtung gedreht und wirkte als Schutzschild, um in der Ringebene die Gefahr von Ringteilchen-Kollisionen zu mindern. 22 Stunden später wurde planmäßig – unter Applauswieder Funkkontakt mit der Erde hergestellt, und die ersten Rohbilder stehen bereits online. Es sind zunächst Aufnahmen der Anflugphase, die Bilder der dichtesten Annäherung folgen noch.

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[Update] Ein Amateur hat die bisherigen Rohbilder der gestrigen Passage zu einem Panorama zusammengesetzt und einen Überflug davon erstellt. Es zeigt einen schmalen Streifen des ausgedehnten Wolkenwirbels (inkl. des zentralen Strudels) auf Saturns Nordpol.

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Ein Saturn-Nordpol-Panorama vom 26.04.2017; Christopher Becke

27.04.2017

90 Jahre Entdeckung der Expansion durch Georges Lemaître

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Es war heute vor 90 Jahren, als ein Priester und Physiker der Universität Löwen eine radikale Idee vor der Akademie der Wissenschaften in Brüssel vortrug. Am 25. April 1927 hatte der Belgier Georges Lemaître nichts weiter als den Grundstein für unser modernes Bild eines dynamischen, eines expandierenden Universums gelegt. Seine Arbeit mit dem langen Titel „Un univers homogène de masse constante et de rayon croissant rendant compte de la vitesse radiale des nébuleuses extra-galactiques“ – „Ein homogenes Universum mit konstanter Masse und wachsendem Radius als Erklärung für die Radialgeschwindigkeit der extragalaktischen Nebel“ – erscheint in den Sitzungsberichten der „Annales de la Société Scientifique de Bruxelles„. An diese und andere wegweisende Ideen des Wissenschafters im Priestergewand hat gestern Abend in der Volkssternwarte Bonn (VSB) der Referent Hans-Joachim Blome, ein ausgewiesener Lemaître-Experte, erinnert. Seit 15 Jahren liest er Lemaîtres Schriften im französischen Original und man kann nur hoffen, dass aus dem Manuskript endlich eine erste deutsche Biografie über diese kaum bekannte und doch außergewöhnliche Persönlichkeit entstehen wird. Der Vortrag spannte den Bogen über die nun zurückliegenden 100 Jahre der (modernen) Kosmoslogie – von den Anfängen durch Slipher, Einstein, de Sitter, über die 1998 veröffentlichte Entdeckung der beschleunigten Expansion und bis zum großen Rätsel der Dunklen Energie. Aber der Hauptprotagonist des Abends war ganz klar Georges Lemaître, denn er hatte das Konzept der Expansion des Universums und des Urknalls entworfen.

1917 fing alles an. Schon kurz nachdem Albert Einstein 1915 seine Allgemeine Relativitätstheorie (ART) abgeschlossen hatte, 8 Jahre waren für ihre Vollendung nötig, wollte er seine Gravitationsgleichungen auf das gesamte Universum anwenden. Im Februar 1917 legte er seine Arbeit „Kosmologische Betrachungen zur allgemeinen Relativitätstheorie“ der königlich-preußischen Akademie der Wissenschaften vor. Aus seinen Gleichungen folgte, dass das Universum nicht statisch ist, sondern kollabieren oder sich ausdehnen sollte. Da das Jahrhundertgenie keinen Grund dafür hatte, ein dynamisches Universum anzunehmen, fügte er den griechischen Buchstaben Lambda – die heutige kosmologische Konstante – ein. Einstein war eben kein Beobachter und bis zu ausreichenden Beobachtungsdaten dauerte es noch etwas. Ausgerechnet der katholische Priester und Physiker Georges Lemaître aus dem kleinen Belgien dachte weiter als Einstein und machte Schluss mit der statischen Welt, denn 10 Jahre später gab es endlich genügend Daten.

Lemaître besuchte ab 1920 das Priesterseminar in Mechelen, wobei er von Kardinal Mercier die Erlaubnis erhalten hatte, sich weiter mit Einsteins Gravitationstheorie zu befassen. 1923 wurde er zum Priester geweiht und es erschien seine erste wissenschaftliche Arbeit. Er war bei der Geburtsstunde der extragalaktischen Astronomie (durch Entfernungsmessung mit Cepheiden in M 31 und M 33) anwesend, als am Neujahrstag 1925 Henry Norris Russell auf einer Tagung ein Paper von Edwin Hubble vorlas. Er kannte Hubbles nächste Arbeit über Galaxien und die 1925 veröffentlichte Auflistung von Vesto Sliphers Radialgeschwindigkeiten (meist Rotverschiebungen) durch Gustaf Strömberg. 1927 zählte Lemaître alles zusammen und rechnete. Er fand die heute bekannte Proportionalität: Je weiter eine Galaxie (damals meist noch als „extragalaktischer Nebel“ bezeichnet) entfernt ist, desto schneller bewegt sie sich von uns weg. Lemaître deutete jene Galaxienflucht, die aus den beobachteten (rotverschobenen) Radialgeschwindigkeiten folgte, jedoch nicht als Doppler-Effekt (Bewegung durch den Raum), sondern als Eigenschaft des Raumes selbst. „Die Abkehr der extragalaktischen Nebel ist ein kosmologischer Effekt aufgrund der Ausdehnung des Raumes.“ Auf der Reise von den fernen Galaxien bis zu uns, bewegt sich das Licht durch den wachsenden Raum, wobei seine Wellenlänge  stark gedehnt wird, was im Spektrum als Rotverschiebung sichtbar wird. Diesen völlig richtigen Gedanken hatte Lemaître vor 90 Jahren!  Für die Expansionsrate erhielt er (heute ordentlich danebenliegende) Werte von 625 km/s/Mpc bzw. 575 km/s/Mpc und leitete 900 Millionen Lichtjahre als Radius des Universums ab. Zwei Jahre nach ihm stieß Hubble ebenfalls auf die lineare Beziehung aus  Entfernung und Geschwindigkeit und kam auf eine ähnliche Expansionsrate (heute nur Hubble-Konstante genannt), aber der Schlussfolgerung eines expandierenden Raumes widerstrebte er.

Und nachdem er 1927 auf Beobachtungen basierend das dynamische Universum erfand, legte Georges Lemaître 1931 noch einen weiteren kosmologischen Grundstein, wobei der geistliche Herr noch zum geistigen Vater der Urknalltheorie wurde. Als Schöpfer des Begriffs „Big Bang“ (1948), erlaubte sich Fred Hoyle einen Spaß und stellte Lemaître 1960 auf einer Tagung in Pasadena als „Big Bang Man“ vor. 

25.04.2017

22. April: Weltweiter „March for Science“ auch in Bonn

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In unsicheren Zeiten von „postfaktisch“ (Wort des Jahres 2016), alternativen Fakten, Fake-News und Lügenpresse werden am morgigen 22. April weltweit Demonstrationen für Wissenschaft und Forschung stattfinden. Der Auslöser dafür ist die wissenschaftsfeindliche Regierung unter US-Präsident Trump. Für Trump ist der Klimawandel bloß eine Erfindung der Chinesen und ein Krieg gegen die Kohleindustrie; seine Beratin Conway kreierte auch die Wortschöpfung „alternative Fakten“. Doch aus der in der Hauptstadt Washington geplanten Demonstration ist binnen kurzer Zeit ein globales Phänomen geworden. Denn jene internationale Entwicklung, in der Emotionen die sachliche Diskussion verdrängen, ist leider vielerorts zu beobachten. Auch in der digitalen Welt von Facebook und Co. werden immer mehr verzerrte Tatsachen, Halbwahrheiten und schlicht Lügen verbreitet. „Die Gesetzlosigkeit des Netzes wird kaltblütig ausgenützt“, um an wissenschaftlichen Methoden und Deutungen vorbei eigene „Wirklichkeiten“ zu erschaffen und so erfolgreich Unsicherheiten und Ängste zu schüren, die zu einer bestimmten politischen, ideologischen oder religiösen Agenda passen. Darum werden morgen eben nicht nur Wissenschaftler auf die Straße gehen, es sind alle Menschen(!) aufgerufen, für die empirische Befunde wichtiger sind als gefühlte Wahrheiten und Verschwörungstheorien. Es geht um den Wert von Wissenschaft und Forschung als eine Lebensgrundlage unserer offenen und demokratischen Gesellschaft. Wissenschaft geht uns alle an! Lorraine Daston, Direktorin am MPI für Wissenschaftsgschichte in Berlin, bringt es wunderbar auf den Punkt: „Es ist Zeit, die Waffen der Aufklärung zu fassen.“ Seid dabei und unterstützt Vernunft, Wissenschaft und Fortschritt!

In über 600 Städten rund um den Erdball sind Veranstaltungen zum „March for Science“ bzw. „Science March“ geplant. Von Neuseeland bis Grönland, von Südafrika über Nepal bis Chile wollen Menschen ein Zeichen für die Wissenschaft setzen. Auch in Deutschland finden zahlreiche Veranstaltungen statt. Bei der Berliner Kundgebung wird Wissenschaftsjournalist und TV-Moderator Ranga Yogeshwar auf der Bühne stehen. Zu seiner Teilnahme sagte er in einem Interview: „Mein Weckruf der persönlichen Art war eine Begegnung Anfang des Jahres mit der Polizeipräsidentin von Bonn. Wir sprachen unter anderem über die Kriminalitätsstatistik in Bezug auf Migranten und sie sagte: „Wissen Sie, wenn wir die Statistik zeigen, dann ist es nicht nur so, dass man uns nicht glaubt. Man behauptet dann sogar, dass wir lügen.“ Ich fand es bemerkenswert, weil es zeigt, dass viele Menschen – bei weitem nicht nur die Populisten – einer gefühlten Wahrheit mehr vertrauen als den objektiven Fakten. Viele Debatten sind mittlerweile geprägt von Angst, mitunter von Hysterie. Sie werden dominiert von den Lautsprechern der Populisten. Und so wird die Chance vertan, Diskussionen auf der Basis von wissenschaftlicher Erkenntnis zu führen.“

Der größte „Science March“ in NRW soll ab 12:00 Uhr auf der Hofgartenwiese der Uni Bonn stattfinden (Bericht im General-Anzeiger inkl. Kommentar dazu); moderiert wird er von Meteorologe und TV-Moderator Karsten Schwanke. Die Organisatoren (im Interview) wollten zunächst eine Aktion in Köln, taten sich dann jedoch mit dem Bonner Team zusammen. Die Veranstalter schreiben auf ihrer Facebook-Seite: „Wissenschaft ist das beste Werkzeug, das wir bisher hervorgebracht haben, um möglichst frei von politischen, ideologischen und religiösen Einflüssen unsere Welt zu ergründen und so gewonnene Erkenntnisse der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit der Zeit der Aufklärung konnten so die Wissenschaft und Forschung als universelles Werkzeug erfolgreich zur Weltgestaltung und ständiger Verbesserung unserer Lebensbedingungen in nahezu allen Bereichen beitragen. Die wissenschaftliche Methode zur Erkenntnisgewinnung hat sich darüber hinaus auch im gesellschaftlichen Diskurs bewahrt. Sie hilft bei dem Aufbau und Erhalt von freiheitlich demokratischer, offener Gesellschaft und ermöglicht im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit die Sicherung von Transparenz, Gerechtigkeit und Humanität. Wissenschaftlich belegbare Erkenntnisse müssen daher weiterhin Entscheidungsgrundlage in einer Demokratie sein.“

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Kritische Punkte zum „March for Science“ werden beispielsweise von bloggenden Wissenschaftlern hier und hier angesprochen.

21.04.2017

Einmalig! CTA 102 und das Rekord-Feuerwerk zum Jahreswechsel

2016 gab es wieder schöne Beobachtungserlebnisse (u.a. Merkurtransit, Polarlichtflug über dem Nordatlantik), nicht so schön war dagegen so ein einmaliges Mikrolinsen-Ereignis wie Gaia16aye (ein 16,0mag-Stern wurde durch eine Gravitationslinse unglaubliche 13,6mag hell), das sich für mich leider hinter dichten Wolken abspielte. Wie zur Versöhnung ereignete sich kurz danach ein ebenfalls einzigartiges und – was die beteiligten Energien angeht – höchst extremes Naturschauspiel: der sehr weit entfernte Blazar CTA 102 im Sternbild Pegasus erreichte einen historischen Helligkeitsausbruch, wobei sein Licht, das 8 Milliarden Jahre lang unterwegs war, sogar mit kleinen Teleskopen mit nur 50mm Öffnung von Hobbyastronomen beobachtet werden konnte! Wenn das mal kein Entfernungsrekord für derartige Amateurteleskope ist.

Ein Einzelbild des Blazars CTA 102; Helmut Hoffmann

Ein Einzelbild des Blazars CTA 102; Helmut Hoffmann

Blazare sind wie Quasare leuchtkräftige Galaxienkerne, wobei der Motor für jene enormen Leuchtkräfte ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum ist. Dadurch werden Energien von Billionen Sonnenleuchtkräften frei, so dass sie über Entfernungen von Milliarden Lichtjahre beobachtet werden können und somit die fernsten Objekten für Hobbyastronomen darstellen. Im Teleskop sehen Quasare und Blazare zwar nur wie normale Sternpunkte aus, aber wegen der Energien, Entfernungen und der extremen Physik dahinter, zieht es mich immer wieder ans Okular. Bei Blazaren blickt man direkt in den Jet, den das zentrale Schwarze Loch ausstößt. Nicht alle Materie verschwindet nämlich auf Nimmerwiedersehen in dem Loch, ein Teil des Plasmas wird höchst effizient und mit annähernd Lichtgeschwindigkeit in zwei Jetstrahlen aus dem Galaxienzentrum hinausgeschossen. Und je nach dem wieviel Gas in Richtung Schwarzes Loch fällt (als Akkretionsrate bezeichnet), strömt auch mehr Materie in die Jets und das verursacht dann einen Anstieg der Helligkeit (siehe Bild 3). Es hat also was mit dem Nahrungsangebot zu tun, vereinfacht gesagt. Die interessantesten Lichtwechsel bietet der Blazar S5 0716+71 im Sternbild Giraffe, weshalb beispielsweise der passionierte Hobbyastronom Klaus Wenzel die Veränderungen dieses Objekts seit mittlerweile 18 Jahren überwacht. Zu S5 0716-71 wird es von mir einen Beitrag im nächsten Heft von „Abenteuer Astronomie“ geben.

Der Helligkeitsausbruch des Blazars CTA 102 im Dezember 2016 mit eigenen Schätzungen (rot); AAVSO

Der Helligkeitsausbruch des Blazars CTA 102 im Dezember 2016 mit meinen Schätzungen (rot); AAVSO

Und wie man sehen kann, ist die Lichtkurve von CTA 102 nicht minder spannend. Dank des historischen Helligkeitsausbruchs wurde das Objekt, das im Normallicht lediglich zwischen 16,0 und 17,0mag hell ist, zum leuchtkräftigsten Blazar überhaupt und offenbar scheint ihm immer noch nicht die Puste auszugehen. Denn wie das Bild zeigt, dauert die seit Ende November 2016 beobachtbare Aktivitätsphase immer noch an. Die Darstellung enthält visuelle Schätzungen (schwarz), photometrische Messungen (grün), meine Schätzungen (rot) und die bisherigen 7 Helligkeitsspitzen (blau), wobei 6 von 7 Zwischenmaxima heller als 12,0mag waren! Das ist einfach nur irre! Immerhin besitzt CTA 102 eine Rotverschiebung von z=1,037, was einer (Laufzeit-)Entfernung von rund 8 Milliarden Lichtjahren entspricht. 8 Milliarden Jahre war sein Licht unterwegs; der Blazar ist natürlich durch die Expansion des Universums schon viel, viel weiter entfernt. Nach 8 Milliarden Jahren Reisezeit reicht mein kleines 80mm-Teleskop aus, um es mit eigenen Augen zu sehen. Ein absoluter Entfernungsrekord! Wann kann man schon mit derart kleinen Optiken so weit in die Vergangenheit blicken? Es gibt sogar Amateure, die diesen Entfernungsrekord spektroskopisch im Auge hatten oder ihn mit nur 50mm Öffnung beobachteten. Das war um den 29. Dezember, als CTA 102 bisher am hellsten war; ich schätzte ihn auf 11,3mag. Nie war es einfacher, ein derart entferntes Himmelsobjekt mit eigenen Augen zu sehen. Übrigens: Bild 1 ist ein 2 Sekunden belichtetes Einzelbild mit Sony A7s (50mm Objektiv, 200mm Brennweite, ISO 51.200) von Astrofotograf Helmut Hoffmann.

Berücksichtigt man die Entfernung von CTA 102, dann leuchtete der Schock in dem Blazar-Jet so hell wie 100 Billionen Sonnen (bzw. -30,65mag)! Das ist Astrophysik live am Okular!  Was für ein irres Rekord-Feuerwerk, angesichts dessen jeder Silvesterknaller nur wie ein armes Glühwürmchen aussieht. Auch wenn es nur ein Lichtpunkt ist, so wurde noch kurz vor Jahresende dieser ferne Billionen-Sonnen-Böller mein Highlight 2016. Vor allem hat das Wetter gepasst (es reichte schon eine kleine Wolkenlücke), was gleichzeitig noch zu meiner ersten Langzeit-Lichtkurve führte. Ich bin ja nicht so der Typ für langfristige Beobachtungsprogramme, aber dadurch entstand ein anderer Bezug zum Gesehenen, auch wenn sich alles jenseits aller Vorstellungskraft abspielte. Und während ich am Okular das alte Licht bestaunte, ging mir Lubomyr Melnyks „Pockets Of Light“ durch den Kopf und ich dachte an die irgendwo mal aufgeschnappten Worte: „Der Sternpunkt lebt“. Und ich bin jetzt schon wie ein Flitzebogen gespannt, was die Fachastronomen für Modelle austüfteln werden, um diesen Rekordausbruch eines Blazars zu erklären. Was hat das Schwarze Loch vor 8 Milliarden Jahren wohl zu fressen gekriegt? Und wenn sich der Mond und die Wolken wieder verkrümeln, …

Illustration eines Quasars bzw. Blazars, bei dem Gasknoten durch den Jet bewegen; Cosmovision, Wolfgang Steffen

Illustration eines Quasars bzw. Blazars, bei dem Gasknoten durch den Jet bewegen (anklicken für Animation); Cosmovision, Wolfgang Steffen

11.01.2017

Gaia16aye: Seltenes Microlensing-Ereignis mit Ansage

I-Band-Lichtkurve von Gaia16aye vom 18. November 2016; ESA Gaia, DPAC and the Photometric Science Alerts Team, P. Mroz, L. Wyrzykowski

Modellierte I-Band-Lichtkurve von Gaia16aye vom 18. November 2016; ESA Gaia, DPAC and the Photometric Science Alerts Team, P. Mroz, L. Wyrzykowski

Zurzeit ereignet sich im Schwan nahe des hellen Sterns phi Cyg ein spektakuläres Himmelsphänomen. Das Microlensing-Ereignis Gaia16aye (Spitzname Ayers Rock) wurde vor ein paar Monaten mit dem ESA-Astrometrie-Satelliten Gaia entdeckt und wird seitdem von anderen Teleskopen ständig überwacht. Die gesammelten Daten sind in der oben gezeigten I-Band-Lichtkurve zusammengefasst und zeigen deutlich drei Helligkeitsausbrüche. Die Forschergemeinde ist sich mittlerweile sicher: Dieses Muster deutet auf kein normales Microlensing-Event hin, sondern auf einen sehr viel selteneren Fall einer Gravitationslinse mit Doppelstern. Das Schwerefeld eines Vordergrundsterns (bei Gaia16aye handelt es sich um einen 15,0mag-Stern) verhältlich sich wie ein Linse, die das Licht eines entfernteren Hintergrundobjekts bündelt, so dass es für uns beträchtlich heller erscheint. Nur handelt es sich hier um ein Doppelsystem, wodurch es zu zwei Aufhellungen mit vier Helligkeitsmaxima kommt.

Eine polnische Forschergruppe konnte aus Modellen ableiten, wann mit dem finalen Peak (ganz rechts im Bild) zu rechnen ist. Nach ihrer heutigen Prognose soll es am Sonntagabend (20. November) gegen 20:00 MEZ soweit sein. Im I-Band soll sich ein Maximum von 12,0mag zeigen, wobei im visuellen Bereich wohl 14,0mag (oder etwas heller) zu erwarten sind. Nur wenige Stunden soll der finale Helligkeitsausbruch dauern und die Wetteraussichten für den deutschen Sprachraum sehen leider alles andere als rosig aus. Hobbyastronomen aus Bayern haben wohl die besten Chancen auf brauchbares Beobachtungswetter. Die AAVSO-Lichtkurve von Gaia16aye befindet sich schon im Anstieg und hat bereits 14,6mag erreicht. Das passt immerhin sehr gut zu meiner Nichtsichtung. Am Abend habe ich mein Glück mit dem 12-Zöller und 250-facher Vergrößerung versucht. Das Zielgebiet bei phi Cyg war spielend leicht zu finden, aber tiefer als 14,5mag bin ich unter meinem Dorfhimmel nicht gekommen. Vielleicht haben andere Beobachter ja mehr Glück. Wann sieht man schon als Amateur eine Gravitationslinse in diesem Helligkeitsbereich? Und dann noch durch ein Doppelsystem hervorgerufen. Das ist wirklich (exotische) Astrophysik live!

18.11.2016

[Update, 19.11.2016] Weitere Berichte und Beobachtungsaufrufe finden sich hier (Abenteuer Astronomie), hier (Himmelslichter.net) und hier (Sterne und Weltraum).


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