Archiv für Februar 2016

Neuer Song von OK Go: Ohne Schnitt und ohne Schwerkraft

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Die US-Band OK Go ist seit nunmehr 10 Jahren bekannt für ihre lustigen und einfallsreichen One-Shot-Musikvideos. 2006 fing alles mit 8 Laufbändern und einer spaßigen Choreografie an („Here It Goes Again“), danach folgten z.b. Trompeter in Tarnklamotten („This Too Shall Pass“; ein echter Ohrwurm) oder große Massenszenen mit Schirmen und kleinen Barhocker-Fahrzeugen („I Won’t Let You Down“). So sind die One-Shot-Clips heute das Markenzeichen von OK Go geworden. Der Ideenreichtum der Band scheint kein Ende zu nehmen, denn in jedem Video gibt es neue lustige Einfälle. So hatte dann jemand zur neuesten Single die Idee: „Wieso drehen wir nicht mal ein One-Shot-Video in Schwerelosigkeit?“ Und sie haben es tatsächlich getan! Der neue Song nennt sich – passenderweise – „Upside Down & Inside Out“, er könnte aber auch einfach „Völlig lösgelöst“ heißen, und das Video dazu ist vergangene Woche erschienen.

„There are no wires or green screen“, heißt es direkt am Anfang des Clips. Man sieht die vier Bandmitglieder, zwei artistisch begabte Flugbegleiterinnen und eine kunterbunte Party in der Schwerelosigkeit während eines Parabelfluges. Der Flug wurde mit einer Maschine der russischen Fluggesellschaft S7 Airlines durchgeführt. Jetzt könnte man natürlich angesichts der Länge des Songs von über 3 Minuten meinen: Moment, in einem Parabelflieger ist man doch nur für 20 Sekunden schwerelos. Ganz richtig, und auch dieses zeitliche Problem hat die Band ebenfalls berücksichtigt, damit das ganze One-Shot-Musikvideo in völliger Schwerelosigkeit spielt. Näheres dazu wird hier erläutert und einen tollen Blick hinter die Kulissen des Drehs bekommt man hier. Wenn man weiß, dass der finale Videodreh während eines 45-minütigen Fluges (inkl. 8 schwerelosen Parabeln) stattgefunden hat, hat man schon eine Ahnung davon, wieviel Anstrengung allein das Training und die Vorbereitung gekostet hat. Schließlich musste alles auf die Sekunde mit den schwerelosen Perioden getimt werden, so dass nach der Nachbearbeitung keine Schnitte mehr zu sehen sind.

20.02.2016

 

Live-Blog zum LIGO-Update über Gravitationswellen

[11:30 MEZ] In Washington beginnt – 2 Querstraßen vom Weißen Haus entfernt – in genau 5 Stunden die heiß ersehnte Pressekonferenz mit Neuigkeiten zur Suche nach Gravitationswellen. Parallel zum oben verlinkten Livestream (alternativ auch dieser) werde ich diesen chronologischen Live-Blog mit Updates und weiteren Informationen aktuell (das Neueste steht ganz unten) halten. Viele halten jetzt schon die Verkündung der Entdeckung von Gravitationswellen für sehr wahrscheinlich. Wenn es nichts Handfestes zu berichten gäbe, wieso sollten sonst zeitgleich an noch 5 weiteren Orten ebenfalls Pressekonferenzen stattfinden? Um 16:30 MEZ geht’s los. Ich bin sehr gespannt.

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[12:15 MEZ] Sogar die Leute vom APOD (Astronomy Picture of the Day) machen es spannend und haben vorerst nur einen Platzhalter auf ihrer Homepage apod.nasa.gov stehen. Erst um 17:00 MEZ soll das Astrobild des Tages gelüftet werden. Was wird zu sehen sein? Das erste direkte Bild von Gravitationswellen, die bei der gewaltigen Kollision zweier Schwarzer Löcher entstehen?

[13:00 MEZ] Was sind denn nun eigentlich Gravitationswellen? So hat mir Harald Lesch das vor 15 Jahren in „Alpha Centauri“ sehr schön erklärt. Ganz ohne Tensoren, dafür mit hochgekrempelten Ärmeln. „Das Universum schwingt. Es kann schwingen. Das Substrat, in dem Raum und Zeit existieren, fängt an zu schwingen, wenn Massen sich bewegen und wenn Massen anfangen auf einmal ganz fürchterliche Dinge zu tun. Und diese Schwingungen, die bezeichnet man als Gravitationswellen.“ Anschaulich beschreibt er die Wirkung sowie die Winzigkeit dieser Raumzeit-Wellen, außerdem wird noch die indirekte Entdeckung von Gravitationswellen, für die es 1993 den Nobelpreis gab, erläutert. Und wird dann heute ihr erster direkter Nachweis verkündet? Der Nobelpreis dafür wäre ebenfalls sicher.

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Ein enges Paar Schwarzer Löcher strahlt Gravitationswellen ab; Swinburne Astronomy Productions

Verschmelzung zweier Schwarzer Lˆcher

Gravitationswellen kurz vor der Kollision zweier Schwarzer Löcher; Albert-Einstein-Institut (Michael Koppitz)

[14:45 MEZ] Um Gravitationswellen grafisch irgendwie darzustellen, gibt es – mitunter bunte – Illustrationen wie diese. Wie in den beiden Abbildungen gezeigt wird, entstehen solche Wellen u.a. der Verschmelzung eines Paares aus Schwarzen Löchern. Durch die Abstrahlung in Form von Gravitationswellen nähern sich die Schwarzen Löcher immer schneller einander an und verschmelzen schließlich miteinander. Und da Schwarze Löcher per definitionem kein Licht oder eine sonstige Strahlungsart abgeben, würde sich so eine gewaltige Kollision einzig durch Gravitationswellen verraten!

[14:55 MEZ] Auch Blogger-Kollege Daniel Fischer hat einen Live-Blog („Live-Blog zur Gravitationswellen-Enthüllung“) gestartet.

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Vereinfachte Darstellung eines Gravitationswellen-Signals; aus „Numerical Relativity“ (2010) von Baumgarte und Shapiro

[15:30 MEZ] Wie ein Schwarzes Loch mit einem zweiten kollidiert und dabei Gravitationswellen frei werden, kann heute naürlich nur in aufwendigen Simulationen untersucht und in künstlerischen Abbildungen dargestellt werden. Das, was die Wissenschaftler, die z.b. mit dem LIGO-Detektor nach diesen Schwingungen suchen, wirklich messen, wird vereinfacht im unteren Teil der Grafik gezeigt. Wie die Objekte immer schneller aufeinander zu spiralieren, zeigt eine höher werdende Frequenz an, die Verschmelzung findet dann beim größten Ausschlag statt und anschließend ereignet sich noch ein sog. Ringdown. Das ist eine Art Nachhall, bei dem das resultierende – und massereichere – Schwarze Loch wieder seine Kugelform annimmt. So eine Darstellung werden wir sehr wahrscheinlich nachher bei der Pressekonferenz zu sehen bekommen.

[16:10 MEZ] Und um was geht es heute? Viele vermuten, dass mit dem LIGO-Gravitationswellen-Projekt in den USA erstmals Gravitationswellen beobachtet wurden und dieser direkte Nachweis soll gleich um 16:30 MEZ in der Pressekonferenz (der Livestream ist ganz oben zu sehen) veröffentlicht werden. Zu den bisherigen Hinweisen und Gerüchten dazu hatte ich erst am Montag etwas geschrieben. Demnach soll das vermutete Signal tatsächlich von einer Verschmelzung aus zwei Schwarzen Löchern (36 und 29 Sonnenmassen) stammen. Diese Messung wäre jedoch mehr als eine weitere Bestätigung von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, mit der vor 100 Jahren – im Juni 1916 – die Existenz von Gravitationswellen vorhergesagt wurde. Außerdem wäre es der allererste direkte Nachweis von Schwarzen Löchern! Und wir könnten sie sogar hören!

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[16:20 MEZ] Noch 10 Minuten bis zur Pressekonferenz (Livestream) in Washington.

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[16:25 MEZ] Der Stream läuft schon mal. Noch 5 Minuten …

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[16:28 MEZ] Gespanntes Warten …

[16:30 MEZ] Die Pressekonferenz beginnt pünktlich mit einer Ansprache und einem Einspielfilm.

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[16:34 MEZ] „Ladies and Gentleman, wie have detected gravitational waves!“ Es folgt Applaus.

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[16:45 MEZ] So sehen die im September 2015 mit LIGO detektierten Signale aus. Zuerst wurde es mit der Livington-Station aufgezeichnet, 7 Millisekunden später wurde das identische Signal mit der Hanford-Station empfangen. Ausgelöst wurden sie durch eine äußerst winzige („tiny tiny fraction of a proton diameter“) Längenänderungen der beiden LIGO-Interferometer. Es wird berichtet, dass es aus der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit 36 und 29 Sonnenmassen stammt. Dabei wurde die Energie von 3 Sonnenmassen in Form von Gravitationswellen abgestrahlt. Die Gerüchte im Vorfeld waren also korrekt! Außerdem verrät das Signal, dass sich die Kollision 1,3 Milliarden Lichtjahre entfernt nahe der Magellanschen Wolken am Südhimmel (Sternbild Schwertfisch) ereignete.

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[16:54 MEZ] Dem Publikum wird die Wirkung von Gravitationswellen anschaulich erklärt.

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[17:00 MEZ] Kip Thorne, der das LIGO-Experiment mitbegründet hat, tritt ans Pult. Er erläutert die bisherige Geschichte der Suche nach Albert Einsteins Gravitationswellen. Alle Beobachtungen zeigten nur eine ruhige Raumzeit. Am 14. September 2015 ändert sich alles. Als LIGO das Signal registrierte und von einem „violent storm“ der Raumzeit erzählte. Die beobachtete Verschmelzung der Schwarzen Löcher setzte eine Energie in Form von Gravitationswellen frei, die dem 50-Fachen aller Sterne im Universum entspricht!!

[17:09 MEZ] Kip Thorne: „LIGO ist just the beginning with gravitational wave astronomy.“ Denn mit dieser Beobachtung wurde eine neue Tür zur beobachtenden Astronomie aufgestoßen. Jenseits des elektromagnetischen Spektrums aus optischem Licht, Radiostrahlung, Röntgenstrahlung usw. hat LIGO zum ersten Mal direkt die Schwingungen der Raumzeit gemessen.

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[17:20 MEZ] Nach Kip Thornes Beitrag werden jetzt Frage der Pressevertreter beantwortet.

[17:40 MEZ] Der Livestream endet.

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[17:50 MEZ] Und da ist das Paper: „Observation of Gravitational Waves from a Binary Black Hole Merger“ (PDF). „Dieses Paper der LIGO Scientific Collaboration & VIRGO Collaboration hat Wissenschaftsgeschichte geschrieben“, heißt es dazu auf Twitter.

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Ossokine, Buonanno (MPI für Gravitationsphysik) und Benger (Airborne Hydro Mapping GmbH)

[18:05 MEZ] Die Pressemitteilungen von LIGO und vom Albert-Einstein-Institut Hannover (mit obiger Grafik) sind online. Die farbenfrohe Abbildung ist ein Ausschnitt einer Simulation mit zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern, die 36 und 29 Sonnenmassen schwer sind.

[18:25 MEZ] Vermutlich wegen der großen Zahl an Autoren, werden sie erst ganz am Ende des Fachartikels (PDF) aufgezählt. 1.004 Wissenschaftler sollen es sein, die auf 3 Seiten genannt werden; sogar 3 verstorbene Personen werden erwähnt. Und auf 2 ½ Seiten folgt dann noch die Nennung von 133 Forschungseinrichtungen, die in der LIGO- und VIRGO-Kollaboration zusammen hinter dieser Entdeckung stehen!

[19:05 MEZ] Noch nicht genug von der LIGO-Action heute? Außer dem oben genannten Paper findet man unter dem Punkt Related Documents“ noch 11 weitere Arbeiten! Darin werden noch weitere Beobachtungen, Analysen und Folgerungen vorgestellt. Übrigens: Die – allererste – direkt beobachtete Gravitationswellen-Quelle hat die Bezeichnung GW150914 erhalten.

[19:30 MEZ] Hier kommt jetzt sogar der Entdecker des am 14. September 2015 detektierten Signals zu Wort. Während das Signal registriert wurde, befand sich Marco Drago nicht am LIGO, noch nicht einmal in den USA, denn viel mehr saß der Wissenschaftler in seinem Büro im Albert-Einstein-Institut Hannover! Er beschäftigte sich mit den LIGO-Daten, bis gegen Mittag eine Alarm-Mail eintraf. „The signal-to-noise ratio was quite high – 24 as opposed to [the more typical] 10“, erläutert Drago. Nach einer Stunde ging eine Mail an die gesamte LIGO-Kollaboration raus und es folgte eine tagelange Datenanalyse begann, um alles aufwendig zu überprüfen.

[20:35 MEZ] Und so hört sich GW150914 an. Dieses sog. Chirp-Geräusch ist tatsächlich die Verschmelzung zweier stellarer Schwärzer Löcher an! Keine elektromagnetische Strahlung wurde dabei abgestrahlt, so dass uns einzig dieses Geräusch von jenem unvorstellbar gigantischen Ereignis erzählt. Die ersten beiden Töne geben unverändert exakt die Frequenz wieder, die das in ein Audiosignal umgewandelte Gravitationswellen-Signal hatte. Bei den zwei danach folgenden Tönen wurde die Frequenz für eine bessere Hörbarkeit angehoben.

[20:40 MEZ] Hier ist die komplette Aufzeichnung der heutigen LIGO-Pressekonferenz.

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[21:30 MEZ] Und da wäre natürlich noch das gelüftete APOD (eine künstlerische Darstellung mit den beiden echten LIGO-Signalen), denn bis zur großen Bekanntgabe am Nachmittag war da ja nur ein schwarzer Platzhalter zu sehen.

[21:40 MEZ] Ende des Live-Blogs.

Gibt’s morgen die Entdeckung von Gravitationswellen?

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Ein enges Paar Schwarzer Löcher strahlt Gravitationswellen ab; Swinburne Astronomy Productions

Jetzt sind es noch genau 24 Stunden, denn morgen um 16:30 MEZ wollen die Wissenschaftler des LIGO-Experiments spannende Neuigkeiten zu ihrer Suche nach Gravitationswellen der Öffentlichkeit präsentieren. Am Montag berichtete ich noch, dass die Gerüchteküche schon seit Ende September 2015 brodelt und wie aktuell die Hinweise auf den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen immer konkreter wurden. Und noch am selben Abend wurde offiziell mitgeteilt, dass es am Donnerstag in Washington tatsächlich eine Pressekonferenz zu den neuesten LIGO-Daten geben soll. Mittlerweile sind insgesamt sogar 6(!) zeitgleiche Pressekonferenzen anberaumt worden und sollen neben der USA noch in Italien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und in Deutschland stattfinden. Denn aus dem Albert-Einstein-Institut Hannover stammen Hochleistungslaser und weitere entscheidene Beiträge für den LIGO-Detektor. Bei den vielen parallelen Veranstaltungen werden sich zweifellos die Medienberichte und Pressemitteilungen überschlagen. Ein Livestream wurde bisher nicht explizit angekündigt, wenn es aber – ab 16:30 MEZ – einen gibt, dann wird der am ehesten unter www.youtube.com/user/VideosatNSF/live zu sehen sein. Einen Live-Blog möchte Daniel Fischer auf Skyweek 2.0 anbieten und ich werde vermutlich auch einen starten.

Bei so einem Rummel schon im Vorfeld fragt man sich doch, was für interessante Ergebnisse die LIGO-Forscher morgen Nachmittag vorstellen werden. So eine Welle vorab wurde doch noch nicht mal vom CERN zur Bekanntgabe der Entdeckung des Higgs-Bosons gemacht. Und würde man selbst nach der fehlerhaften Interpretation der großen BICEP2-Entdeckung von indirekt nachgewiesenen Gravitationswellen des Urknalls immer noch leichtfertig eine solche Ankündigung – mit gleich 6 parallelen Pressekonferenzen – ansetzen? Viele in der Forschergemeinde sind deshalb schon davon überzeugt, dass morgen wirklich die Entdeckung von Gravitationswellen (es heißt mit einer Signifikanz von 5,1 Sigma) verkündet wird. Nach Jahrzehnten der Suche wäre es der erste direkte Nachweis (indirekt werden sie schon beobachtet), dass diese äußerst winzigen Wellen der Raumzeit tatsächlich existieren. Und das außerdem noch ziemlich exakt 100 Jahre nach Albert Einsteins Vorhersage, denn im Juni 1916 kam er durch den Briefwechsel mit Willem de Sitter auf die Idee von Gravitationswellen, die er in „Näherungsweise Integration der Feldgleichungen der Gravitation“ veröffentlichte. Der Nachweis von Gravitationswellen würde somit eine weitere fundamentale Bestätigung von Einsteins Gravitationstheorie (Allgemeine Relativitätstheorie = ART) liefern.

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Prinzip der Laser-Interferometrie bei der Suche nach Gravitationswellen

Da Gravitationswellen äußerst winzige Schwingungen sind, setzen die Physiker auf ultrapräzise Ingenieurskunst. Die beiden LIGO-Stationen sind jeweils nichts weiter als ein hochempfindliches Laser-Interferometer. Darin wird ein Laserstrahl (in der Animation ist die Quelle links) in zwei Strahlen aufgeteilt, die durch Spiegel am Ende wieder zusammengeführt werden. Dort am Ende löschen sich die Lichtwellen gegenseitig aus (destruktive Interferenz) und der Lichtdetektor (in der Animation unten) registriert kein Licht. Und das seit 2002. Wenn nun eine starke Gravitationswelle durch die jeweils 4 Kilometer langen Vakuumröhren mit den geteilten Laserstrahlen läuft, ändert sich die Länge der Interferometer-Arme um weniger als ein Tausendstel eines Protondurchmessers, so dass sich die Wellen des Laserlichts nicht gegenseitig auslöschen können und schließlich für den Photodetektor am Ende ein Licht angeht! Das macht sehr leicht deutlich, wie für diese Messungen Mikroseismik, Thermik und andere Störeffekte berücksichtigt werden müssen. Auch wenn die Längenänderungen in der obigen Animation natürlich übertrieben dargestellt sind, erklärt es das Funktionsprinzip von LIGO und den anderen Gravitationswellen-Interferometern (VIRGO bei Pisa, GEO600 bei Hannover) sehr gut. Nur wenn die Interferometer-Arme ungleich lang sind (z.b. durch Streckung und Stauchung infolge eines Durchgangs einer Gravitationswelle), wird ein Signal registriert.

Diese Winzigkeit (allein ein Proton ist nur 10-15 Meter groß) würde ein Signal liefern, das von extremen und massereichen Ereignissen am Nachthimmel berichtet. Gravitationswellen werden u.a. bei Sternkollisionen, wenn beispielsweise zwei Neutronensterne miteinander verschmelzen, abgegeben. Und so ein Raumzeit-Beben durch die Kollision zweier Schwarzer Löcher ist das extremste und stärkste Ergebnis im Universum! Bis zu 1056 erg/s bzw. 1049 Watt sollen dabei frei werden, und nicht mal   starke Gammastrahlenausbrüche (Gamma Ray Bursts = GRBs) mit 1044 Watt können da mithalten. Zum Vergleich: die Bewegung der Erde um die Sonne erzeugt gerade mal 200 Watt starke Gravitationswellen, wodurch unsere Umlaufbahn um 1,1*10-20 m/s schrumpft! „Jede Beschleunigung von Masse erzeugt Gravitationswellen, sogar meine Finger während ich eine E-Mail schreibe.“ Die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher ist außerdem ein so extremes Phänomen, weil dabei keinerlei Form von Strahlung frei wird. Zumindest erwartet man das nicht, denn sonst wären Schwarze Löcher nicht schwarz. So unvorstellar gewaltig und energiereich so eine Kollision ist, gäbe sie weder optisches Licht, noch Gammastrahlung oder Radiostrahlung ab, so dass nur ihre Schwingungen der Raumzeit sie verraten würde – wenn der hochvakuumierte und ultrapräzise LIGO-Laser ein Signal aufgezeichnet hat.

Den bisherigen Hinweisen zufolge soll es bei der morgigen Pressekonferenz des LIGO-Projekts genau um so ein Gravitationswellen-Signal gehen. Das mögliche Signal soll von der Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern (36 und 29 Sonnenmassen) stammen, wobei ganze 3 Sonnenmassen in Form von Gravitationswellen abgestrahlt wurden. Des Weiteren wird auch schon über die Herkunft (im Gespräch sind die Sternbilder Schwertfisch, Widder und Wasserschlage) spekuliert. Tja, wird nun morgen Nachmittag wirklich die direkte Entdeckung von Gravitationswellen präsentiert? Außerdem könnte zugleich erstmals über ein „lichtloses Ereignis“ berichtet werden oder vielleicht werden wir sogar ein Schwarzes Loch hören. Zudem wäre es die erste direkte Beobachtung eines Schwarzen Lochs überhaupt! Denn bisher hat man sie nur indirekt durch ihren Einfluss auf die Umgebung nachgewiesen. Und zu guter Letzt würden gut 400 Jahre nach der Erfindung des Teleskops die Gravitationswellen zweifellos eine völlig neue Tür in der beobachtenden Astronomie aufstoßen – jenseits des elektromagnetischen Spektrums. Einige erste Male sind somit denkbar. Fazit: Gravitationswellen bestätigen nicht nur weiterhin Einsteins ART, sondern stützen u.a. unsere Theorien über Schwarze Löcher und können sogar bei der Suche nach Gravitonen helfen. Fragen über Fragen. Vermutungen über Vermutungen. Und in 24 Stunden wird endlich die Katze aus dem Sack gelassen.

10.02.2016

Wurden mit LIGO Gravitationswellen entdeckt?

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Ein enges Paar Schwarzer Löcher strahlt Gravitationswellen ab; Swinburne Astronomy Productions

Bislang war es nur ein vages Gerücht, das allerdings schon seit Monaten im Internet kursiert. Über Twitter hatte es Physiker und Kosmologe Lawrence Krauss in Umlauf gebracht: „Rumor of a gravitational wave detection at LIGO detector. Amazing if true. Will post details if it survives.“ Das war Ende September 2015, also gerade einmal eine Woche nach Beginn eines neuen Suchlaufs mit dem LIGO-Experiment. In der neuen Ausbaustufe – Advanced LIGO genannt – ist der Detektor immerhin 4x empfindlicher als beim Start von LIGO im Jahr 2002. Ist es also wirklich möglich, dass mit LIGO das erste Mal Gravitationswellen direkt beobachtet wurden? Wenn die jahrzehnte lange Suche nach diesen unvorstellbar winzigen Wellen der Raumzeit endlich Erfolg hätte, wäre das eine sensationelle Entdeckung und zugleich eine weitere fundamentale Bestätigung von Einsteins Gravitationstheorie, die Allgemeine Relativitätstheorie (ART).

Doch was steckt nun hinter dem Gerücht? Aktuell sind die Hinweise, dass die Wissenschaftler mit LIGO tatsächlich etwas gefunden haben, durch eine eMail erheblich konkreter geworden. Cliff Burgess, ein theoretischer Physiker aus Kanada, erläutert darin: „The LIGO rumor seems real, and will apparently come out in Nature Feb 11, so keep your eyes out of it.“ Demnach soll mit beiden LIGO-Stationen ein Gravitationswellen-Signal empfangen worden sein, dass bei einer Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern mit 36 und 29 Sonnenmassen entstanden ist. Das daraus resultierende Schwarze Loch soll eine Masse von 62 Sonnenmassen (bzw. 365 Kilometer Durchmesser nach Schwarzschild) besitzen, die restliche Masse – immerhin 3 Sonnenmassen – soll in Form von Gravitationswellen abgestrahlt worden sein. Zum Vergleich: Während die Erde gemütlich mit 30 Kilometern pro Sekunde um die Sonne läuft, werden nur durch diese Bewegung 200 Watt als Gravitationswellen abgestrahlt, bei der Verschmelzung des besagten binären Schwarzen Lochs liegt die Energie um 10 hoch 44 Größenordnungen höher. Wenn sich die Entdeckung (es wird eine Signifikanz von 5,1 Sigma angegeben) tatsächlich bewahrheiten sollte, wäre das ein weiterer sensationeller Triumph, und das auch rechtzeitig. Bei seinen Arbeiten zur Allgemeinen Relativitätstheorie stieß nämlich Albert Einstein vor 100 Jahren (genauer: im Juni 1916) auf die Gravitationswellen. Mit ihrem direkten Nachweis dürften sich einige Physiker hundertprozentig auf den Nobelpreis freuen. Der 1993 verliehene Nobelpreis für die Arbeit an einem relativitischen Doppelpulsar gilt gewissermaßen als indirekter Nachweis von Gravitationswellen.

Ein lesenswerter und sehr ausführlicher Blog-Beitrag zu den neuen Hinweisen zum vermuteten LIGO-Fund ist hier nachzulesen, auch Blogger-Kollege Florian Freistetter hat heute darüber geschrieben und hier wird gleich über drei angebliche Ursprungsorte am Himmel (Sternbilder Schwertfisch, Widder und Wasserschlange) spekuliert. Und wie es weiter dazu heißt, soll die LIGO-Entdeckung neben der „Nature“-Veröffentlichung außerdem auf einer Pressekonferenz (11. Februar um 16:40 MEZ) der Öffentlichkeit präsentiert werden. Tja, was auch immer das LIGO-Team am Donnerstag berichten wird, ich bin schon sehr gespannt darauf. Oder um es mit den Worten von Physiker Burgess zu sagen: „Woohoo! (I hope)“

[Update] Inzwischen wurde offiziell bestätigt, dass es am Donnerstag eine Pressekonferenz geben wird. So war heute Abend zu erfahren, dass parallel um 16:30 MEZ gleich an 4(!) Orten – in den USA (Washington), in Italien (beim VIRGO-Experiment nahe Pisa), in Großbritannien (London) und in Deutschland (Hannover) – Neuigkeiten zur Suche nach Gravitationswellen vorgestellt werden sollen.

08.02.2016

Erste Fotos von der Mondoberfläche per Fax

Luna9-DailyExpress

Nur 3 ½ Jahre bevor Neil Armstrong und Edwin „Buzz“ Aldrin ihre großen Sprünge für die Menschheit im Mondstaub durchführten, hatte im Space Race noch die Sowjetunion die Nase vorn. Nach dem ersten Satelliten und dem ersten Mann im Weltraum, folgte Anfang Februar 1966 die erste weiche Landung auf dem Mond, so dass Luna 9 vor 50 Jahren die allerersten Fotos von der Mondoberfläche zur Erde funkte. Dazu schrieb der „Spiegel“ damals: „Sekunden nach der Landung meldete sich die sowjetische Instrumentensonde mit erdwärts zirpenden Funksignalen zur Stelle. Begierig lauschten auch westliche Wissenschaftler der russischen Mond-Grille.“ Darunter befanden sich auch die Astronomen des 76 Meter großen Radioteleskopes des Jodrell Bank Observatory bei Manchester. Kurz nach der Landung von Luna 9 am 03. Februar 1966 um 18:45 Uhr Ortszeit verstummte das Funksignal, so dass Direktor Bernhard Lovell schon an einen Fehlschlag – einen erneuten harten Einschlag – glaubte. Ab 18:58 Uhr hörten die Radioastronomen jedoch seltsame Signalgeräusche, auf die sie sich zunächst keinen Reim machen konnten. Schließlich bemerkte Mitarbeiter Reginald Lascelles, zuständig für die Pressearbeit, dass ihn die elektrischen Signale an ein Faxgerät erinnerten. So wurde in Manchester aus der lokalen Zeitungsredaktion der „Daily Express“ ein solches Bildfunkgerät ausgeliehen. Und mitten in der Nacht wurde in London noch ein Techniker mit einem zusätzlich benötigten FM/AM-Konverter losgeschickt, so dass in den Morgenstunden am Radioobservatorium das Equipment für die Datenübertragung zusammengebaut werden konnte. Um 7:00 Uhr war alles einsatzbereit.

Freitagnachmittag ging der fast volle Mond über Jodrell Bank auf. Und dann: Aus den seltsamen Signalen, die das riesige 76-Meter-Radioteleskop vom Mond empfing, druckte das Muirhead-Faxgerät der Journalisten unter staunenden Augen tatsächlich die ersten Fotos von der Mondoberfläche aus. Während dieser über einstündigen Beobachtungssession wurden vier von Luna 9 aufgenommene Mondlandschaften ausgedruckt und binnen 20 Minuten waren diese historischen Bilder an die Redaktionen des „Daily Express“ in Manchester, London und Glasgow übermittelt. So gelang die Presse an die ersten Fotos von der Oberfläche eines anderen Himmelskörpers überhaupt und nur anderthalb Tage nach der Landung zwischen Reiner Gamma und dem Krater Cavalerius erschien der Mond groß auf den Titelseiten. Am Samstag, den 05. Februar 1966 – heute vor genau 50 Jahren -, titelte die „Daily Express“: „From Luna 9 To Manchester – The Express Catches The Moon“. Am selben Tag konnte man die Nachricht und die Jodrell-Bank-Bilder sogar in der DDR-Zeitung „Neues Deutschland“ sehen, während in der Sowjetunion die Nahaufnahmen erst einen Tag später auf der Titelseite der „Prawda“ erschienen sind. Auch wenn die Presse dem sozialistischen Vaterland etwas zuvor kam, wurden zwei Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Luna 9 noch am Samstagabend im sowjetischen Fernsehen gezeigt. Dennoch wird das gehackte Signal und der Datenklau der westlichen Radioastronomen den Politikern und Raumfahrtfunktionären in der UdSSR sicherlich nicht geschmeckt haben. Am 10. Februar folgte in Moskau eine große 2 ½-stündige Pressekonferenz, bei der u.a. das Messergebnis mitgeteilt wurde, dass der Mond kein feststellbares Magnetfeld bestitzt.

Neben der ersten weichen Landung auf dem Mond und den ersten Oberflächenaufnahmen – via Fax und größtem Radioteleskop der Welt – zeigte Luna 9 auch, wie fest der Boden dort überhaupt ist. Der US-Astronom Gerard Kuiper empfahl daraufhin, wie man ebenfalls im „Spiegel“ nachlesen kann, die Astronauten mit schneeschuhähnlichen Fußbrettern auszustatten, um leichter vorwärts zu kommen. Anfang Juni 1966 erfolgte schließlich mit Surveyor 1 die erste weiche Landung einer NASA-Mondsonde – gut drei Jahre vor Apollo 11.

05.02.2016


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