
Ein enges Paar Schwarzer Löcher strahlt Gravitationswellen ab; Swinburne Astronomy Productions
Jetzt sind es noch genau 24 Stunden, denn morgen um 16:30 MEZ wollen die Wissenschaftler des LIGO-Experiments spannende Neuigkeiten zu ihrer Suche nach Gravitationswellen der Öffentlichkeit präsentieren. Am Montag berichtete ich noch, dass die Gerüchteküche schon seit Ende September 2015 brodelt und wie aktuell die Hinweise auf den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen immer konkreter wurden. Und noch am selben Abend wurde offiziell mitgeteilt, dass es am Donnerstag in Washington tatsächlich eine Pressekonferenz zu den neuesten LIGO-Daten geben soll. Mittlerweile sind insgesamt sogar 6(!) zeitgleiche Pressekonferenzen anberaumt worden und sollen neben der USA noch in Italien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und in Deutschland stattfinden. Denn aus dem Albert-Einstein-Institut Hannover stammen Hochleistungslaser und weitere entscheidene Beiträge für den LIGO-Detektor. Bei den vielen parallelen Veranstaltungen werden sich zweifellos die Medienberichte und Pressemitteilungen überschlagen. Ein Livestream wurde bisher nicht explizit angekündigt, wenn es aber – ab 16:30 MEZ – einen gibt, dann wird der am ehesten unter www.youtube.com/user/VideosatNSF/live zu sehen sein. Einen Live-Blog möchte Daniel Fischer auf Skyweek 2.0 anbieten und ich werde vermutlich auch einen starten.
Bei so einem Rummel schon im Vorfeld fragt man sich doch, was für interessante Ergebnisse die LIGO-Forscher morgen Nachmittag vorstellen werden. So eine Welle vorab wurde doch noch nicht mal vom CERN zur Bekanntgabe der Entdeckung des Higgs-Bosons gemacht. Und würde man selbst nach der fehlerhaften Interpretation der großen BICEP2-Entdeckung von indirekt nachgewiesenen Gravitationswellen des Urknalls immer noch leichtfertig eine solche Ankündigung – mit gleich 6 parallelen Pressekonferenzen – ansetzen? Viele in der Forschergemeinde sind deshalb schon davon überzeugt, dass morgen wirklich die Entdeckung von Gravitationswellen (es heißt mit einer Signifikanz von 5,1 Sigma) verkündet wird. Nach Jahrzehnten der Suche wäre es der erste direkte Nachweis (indirekt werden sie schon beobachtet), dass diese äußerst winzigen Wellen der Raumzeit tatsächlich existieren. Und das außerdem noch ziemlich exakt 100 Jahre nach Albert Einsteins Vorhersage, denn im Juni 1916 kam er durch den Briefwechsel mit Willem de Sitter auf die Idee von Gravitationswellen, die er in „Näherungsweise Integration der Feldgleichungen der Gravitation“ veröffentlichte. Der Nachweis von Gravitationswellen würde somit eine weitere fundamentale Bestätigung von Einsteins Gravitationstheorie (Allgemeine Relativitätstheorie = ART) liefern.

Prinzip der Laser-Interferometrie bei der Suche nach Gravitationswellen
Da Gravitationswellen äußerst winzige Schwingungen sind, setzen die Physiker auf ultrapräzise Ingenieurskunst. Die beiden LIGO-Stationen sind jeweils nichts weiter als ein hochempfindliches Laser-Interferometer. Darin wird ein Laserstrahl (in der Animation ist die Quelle links) in zwei Strahlen aufgeteilt, die durch Spiegel am Ende wieder zusammengeführt werden. Dort am Ende löschen sich die Lichtwellen gegenseitig aus (destruktive Interferenz) und der Lichtdetektor (in der Animation unten) registriert kein Licht. Und das seit 2002. Wenn nun eine starke Gravitationswelle durch die jeweils 4 Kilometer langen Vakuumröhren mit den geteilten Laserstrahlen läuft, ändert sich die Länge der Interferometer-Arme um weniger als ein Tausendstel eines Protondurchmessers, so dass sich die Wellen des Laserlichts nicht gegenseitig auslöschen können und schließlich für den Photodetektor am Ende ein Licht angeht! Das macht sehr leicht deutlich, wie für diese Messungen Mikroseismik, Thermik und andere Störeffekte berücksichtigt werden müssen. Auch wenn die Längenänderungen in der obigen Animation natürlich übertrieben dargestellt sind, erklärt es das Funktionsprinzip von LIGO und den anderen Gravitationswellen-Interferometern (VIRGO bei Pisa, GEO600 bei Hannover) sehr gut. Nur wenn die Interferometer-Arme ungleich lang sind (z.b. durch Streckung und Stauchung infolge eines Durchgangs einer Gravitationswelle), wird ein Signal registriert.
Diese Winzigkeit (allein ein Proton ist nur 10-15 Meter groß) würde ein Signal liefern, das von extremen und massereichen Ereignissen am Nachthimmel berichtet. Gravitationswellen werden u.a. bei Sternkollisionen, wenn beispielsweise zwei Neutronensterne miteinander verschmelzen, abgegeben. Und so ein Raumzeit-Beben durch die Kollision zweier Schwarzer Löcher ist das extremste und stärkste Ergebnis im Universum! Bis zu 1056 erg/s bzw. 1049 Watt sollen dabei frei werden, und nicht mal starke Gammastrahlenausbrüche (Gamma Ray Bursts = GRBs) mit 1044 Watt können da mithalten. Zum Vergleich: die Bewegung der Erde um die Sonne erzeugt gerade mal 200 Watt starke Gravitationswellen, wodurch unsere Umlaufbahn um 1,1*10-20 m/s schrumpft! „Jede Beschleunigung von Masse erzeugt Gravitationswellen, sogar meine Finger während ich eine E-Mail schreibe.“ Die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher ist außerdem ein so extremes Phänomen, weil dabei keinerlei Form von Strahlung frei wird. Zumindest erwartet man das nicht, denn sonst wären Schwarze Löcher nicht schwarz. So unvorstellar gewaltig und energiereich so eine Kollision ist, gäbe sie weder optisches Licht, noch Gammastrahlung oder Radiostrahlung ab, so dass nur ihre Schwingungen der Raumzeit sie verraten würde – wenn der hochvakuumierte und ultrapräzise LIGO-Laser ein Signal aufgezeichnet hat.
Den bisherigen Hinweisen zufolge soll es bei der morgigen Pressekonferenz des LIGO-Projekts genau um so ein Gravitationswellen-Signal gehen. Das mögliche Signal soll von der Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern (36 und 29 Sonnenmassen) stammen, wobei ganze 3 Sonnenmassen in Form von Gravitationswellen abgestrahlt wurden. Des Weiteren wird auch schon über die Herkunft (im Gespräch sind die Sternbilder Schwertfisch, Widder und Wasserschlage) spekuliert. Tja, wird nun morgen Nachmittag wirklich die direkte Entdeckung von Gravitationswellen präsentiert? Außerdem könnte zugleich erstmals über ein „lichtloses Ereignis“ berichtet werden oder vielleicht werden wir sogar ein Schwarzes Loch hören. Zudem wäre es die erste direkte Beobachtung eines Schwarzen Lochs überhaupt! Denn bisher hat man sie nur indirekt durch ihren Einfluss auf die Umgebung nachgewiesen. Und zu guter Letzt würden gut 400 Jahre nach der Erfindung des Teleskops die Gravitationswellen zweifellos eine völlig neue Tür in der beobachtenden Astronomie aufstoßen – jenseits des elektromagnetischen Spektrums. Einige erste Male sind somit denkbar. Fazit: Gravitationswellen bestätigen nicht nur weiterhin Einsteins ART, sondern stützen u.a. unsere Theorien über Schwarze Löcher und können sogar bei der Suche nach Gravitonen helfen. Fragen über Fragen. Vermutungen über Vermutungen. Und in 24 Stunden wird endlich die Katze aus dem Sack gelassen.
10.02.2016
1 Antwort to “Gibt’s morgen die Entdeckung von Gravitationswellen?”