Archiv für September 2011

Supernova 2011fe: Leuchtende Positronen im Fernglas

Wegen unserer Renovierung dauert’s aktuell nochmal länger als sonst mit meinen Beobachtungsberichten. Darum gibt’s jetzt erst meinen Text zu einem kurzen Beobachtungsabend vor drei Wochen.

05./06. September 2011 – Montag/Dienstag

Bevor es erstmal mit dem spätsommerlichen Wetter – dank des Ex-Hurrikans Irene bei Island – und den klaren Nächten vorbei sein würde, sollte der Montagabend nach den Prognosen noch überwiegend wolkenlos bleiben. Und da für den Rest der Woche wechselhaftes Wetter angekündigt wurde, wollte ich doch unbedingt nochmal die Supernova 2011fe mit dem Fernglas anpeilen, denn so ein Maximum hält ja auch nicht ewig. Um dieses Mal auf Nummer sicher zu gehen, entschied ich mich gegen den aufgehellten Gartenhimmel und fuhr stattdessen raus zu meinem Deep-Sky-Stammplatz. Nun ja, dass mittlerweile schon wieder ein leuchtender Halbmond am Himmel stand, muss mir irgendwie entgangen sein. Und doch bin ich ohne große Vorbereitung um Viertel vor 10 in Richtung Eifel losgedüst; der Mond wies mir den Weg.

Kurz nach 10. Im CD-Player rotierte mein Sampler des Haldern-Festivals 2011 und es lief gerade das wunderbare „Orange Sky“ von Alexi Murdoch, als ich am Platz ankam. Ich begrüßte kurz Max und seinen Freund, stellte schnell das 20×60 auf und erkannte sofort den neuen Stern in M 101. Trotz hellem Halbmond fiel er mir ohne Dunkeladaption gleich ins Auge. Ich dachte nur noch: Wahnsinn! Das Radio war noch an und ich hörte „Sunrise“ von Hauschka, was diesen „Sonnenaufgang“ (besser Untergang) in 21 Millionen Lichtjahren Entfernung irgendwie passend untermalte. Was für ein Anblick. Zu meiner letzten Beobachtung ist die Supernova tatsächlich noch etwas heller geworden. Dass es trotz Mondlicht so einfach mit dem Fernglas werden würde, hatte ich wirklich nicht gedacht; zum Glück hatte ich das Stativ ganz zufällig im Schatten einer entfernten Baumkrone aufgestellt. Nur mit T-Shirt stand ich am Fernglas und sah diesem fernen Leuchten zu. Als nächstes hörte ich noch die Wild Beasts aus dem Auto. Es ist zwar bloß ein kleiner Lichtpunkt, doch in Wahrheit spielt sich in diesem kosmischen Biest gerade Unvorstellbares ab. Denn wie das Spektrum bereits verriet, expandiert die Trümmerwolke mit rund 20.000 km/s, woraus sich ableiten lässt, dass sich der u.a. mit Silizium und Magnesium angereicherte Plasmaball schon auf über 300 AE ausgedehnt hat – entsprechend der dreifachen Größe des Kuiper-Gürtels.

Und wann kann man schon radioaktives Glimmen in einer fernen Himmelsobjekt im Fernglas beobachten? Denn die Überreste des gesprengten Weißen Zwergs werden ja durch die Zerfallskette von Nickel über Kobalt zu stabilem Eisen zum Leuchten angeregt: Gammaquanten und vor allem Positronen entstehen, die durch Streuung in dem Feuerball letztlich in optisches Licht umgewandelt werden. Man kann also quasi in 21 Millionen Lichtjahren indirekt Antiteilchen leuchten sehen. Die Astrophysik macht diesen Lichtpunkt – wie jeden anderen auch – für mich so besonders. Eine genaue Helligkeitsbestimmung war aufgrund des Windes nicht ganz leicht; wenn Hoch- und Tiefdruck aufeinandertreffen wird’s schon mal luftiger. Ich schätzte Supernova 2011fe schließlich auf etwa 10,2mag. Kurz nach der Entdeckung hatte ich für das Maximum 10,0mag berechnet, dann tritt es tatsächlich ein und es reicht ein Fernglas für ihre Beobachtung.

Mein 10×50 hatte ich leider daheim vergessen, zum Glück half mir da Max aus. Ich legte sein 10×50 auf das große 20×60 und schon ließ sich die Sternexplosion mit der Kraft von 3 Milliarden Sonnen selbst im kleinen Fernglas indirekt erkennen. Irgendwann war der Mond verschwunden und die Milchstraße über unseren Köpfen zeigte sich markanter und strukturierter. In Max‘ Achtzöller stellte ich natürlich auch M 101 mit dem neuen Stern ein und zusätzlich peilte ich noch kurz NGC 5471 an, um den beiden eine gigantische Nebelregion am äußersten Rand von M 101 zu zeigen. Im Okular ist es nur ein 13,5mag schwaches Fünkchen, doch handelt es sich dabei um einen über 1.600 Lichtjahre ausdehnten Nebelkomplex, der M 42 um 2 Größenordnungen und sogar NGC 604 in M 33 übertrifft. Weitere Ziele im Dobson waren u.a. der Apfelgriebschnebel M 27 inkl. zentralen Weißen Zwerg, der Supernovaüberrest Cirrusnebel, Komet Garradd, der vor ein paar Tagen Collinder 399 passiert hatte, und ein wabernder Jupiter, dessen Äquatorbänder wieder vollzählig waren. Als reiner Laie konnte sich so Max‘ Freund bei den diffusen Objekten gleich in indirektem Sehen üben. In meinem 20×60-Fernglas zeigte ich ihm neben Komet Garrad noch den Kleiderbügel, den Doppelsternhaufen im Perseus und den Grinsekatzen-Asterismus im Fuhrmann. Übrigens kam Lewis Carroll vor fast genau 150 Jahren während einer Themsefahrt bei Oxford auf die Idee zu seinem Kinderbuchklassiker Alice im Wunderland.

Doch jeder Abend muss einmal zu Ende gehen. Es wurde gelacht und rumgealbert, viel über Astrophysik gequatscht und gemeinsam genossen wir die Anblicke des dunklen Sternhimmels. Als der Mond nicht mehr störte, kam ich mit dem SQM auf einen Wert, der immerhin etwa 6,3mag entsprechen dürfte. Für mich war’s zwar nur ein kurzer, ebenso aber ein kurzweiliger Spechtelabend, denn die Zeit verging wieder einmal im Flug und da der Wecker schon um Viertel vor 6 rappeln sollte, machte ich mich gegen halb 1 verspätet auf den Heimweg. Auf dem Weg vom Platz runter zur Bundesstraße begegnete mir an der selben Stelle wie auf der Hinfahrt eine kleine Gruppe Rehe, die am Straßenrand nicht so recht wusste wohin und dann die Böschung hoch ist.

27.09.2011


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