Wenn man Beschreibungen von Uwe Glahn am 16-Zöller („extrem schwache Fläche an exakter Position bestenfalls erahnt, aber nicht sicher und ständig zu halten; unsicher, eher negativ“) oder von Reiner Vogel mit 22 Zoll („nix zu sehen, auch nicht der Stern PV Cep“) liest, dann geht man nicht davon aus, dass man den kleinen Reflektionsnebel GM 1-29 jemals im eigenen 12-Zöller sehen wird. Ein Jahr nach Reiner Vogels Notiz „weder Stern noch Nebel“ hat es letzte Nacht doch geklappt – auf der Terrasse mit 12 Zoll Öffnung und 60x Mindestvergrößerung unter einem 6,0mag-Himmel. Ich war seinem Beobachtungshinweis gefolgt, da der Nebel GM 1-29 offenbar zurzeit einen Helligkeitsschub hat. In der Nacht auf Sonntag zogen leider vermehrt Wolken durch und es gab nur kleine Lücken, für letzte Nacht war dagegen eine Cirrusbewölkung vorhergesagt, aber die Milchstraße stand überdeutlich über meinem Kopf und die Teilung südlich des Adlers fiel ebenfalls auf. Schlag Mitternacht stellte ich den 12-Zöller auf die Terrasse und ich startete die Suche bei beta Cep. Rund 4,5 Grad südwestlich steht der 7,0mag helle HD 198737, neben dem ein Paar 10,0mag-Sterne auffiel. Mehr Aufsuchhilfe braucht’s nicht, nur mehr Vergrößerung. Und an der richtigen Position war tatsächlich ein kleines Nebelchen zu entdecken, bei dem ich bestimmt eine halbe Stunde verbracht habe.
Am besten wirkte er im 9mm (166x), wobei er rundlich erschien und fast schon leicht mit indirektem Sehen erkennbar war; zusätzlich war nördlich davon der 14,8mag-Stern sichtbar. Der kleine Nebel war fast eine Bogenminute groß und seine Helligkeit fand ich mit einem etwa 14,0mag-Stern gut übereinstimmend. Auch mit dem 15mm (100x) war GM 1-29 indirekt noch deutlich zu sehen, wobei er irgendwie länglich-oval wirkte (vielleicht Hinweis auf die Fächerform?). Zu meiner Überraschung war der Nebel sogar im 25mm (60x) wahrnehmbar. Er war an der Wahrnehmungsgrenze, aber an der richtigen Position blitzte ab und zu das Objekt als unscharfer Stern auf. Der für das Nebelleuchten verantwortliche Stern PV Cep war nicht auffindbar.
GM 1-29 wurde 1976 von den armenischen Astronomen Armen Gyulbudaghian und Tigran Magakian entdeckt, aber heute ist das Objekt nur als Gyulbudaghians Nebel bekannt; bei mir heißt er einfach PVC-Nebel. Das Licht von PV Cep streut sich am Staub seiner Geburtswolke, so dass ein kleiner Reflektionsnebel beobachtbar ist. Die Nebelhelligkeit schwankt durch unregelmäßige Ausbrüche des jungen Sterns (Leuchtkraftanstieg durch erhöhte Akkretion auf die Sonne), der nur ein Alter von ein paar 100.000 Jahren hat. So exotisch schon der Objektname ist, so exotisch ist auch die Natur der Quelle, denn zu den bekannten jungen Sterntypen scheint PV Cep nicht zu passen. Nach einer erst im April veröffentlichten Arbeit ist er wohl doch kein typischer Vertreter der sog. EXor-Sterne (nach EX Ori benannt), sondern scheint eher ein massereicher Vertreter dieser aktiven Protosterne zu sein. Denn mit einer Masse von rund 3 Sonnenmassen (zwischen Wega und Regulus) gehört er schon zu den Herbig-AeBe-Sternen und man kann sich dann schnell vorstellen, wie eine Million Jahre später hier ein 1.500 Lichtjahre ferner Stern 8. Größenklasse bereits mit einem Fernglas sichtbar ist. Das war zugleich eine unverhoffte Beobachtung und wunderbare Entdeckung eines scheinbar unbeobachtbaren Nebels, erhellt durch das Streulicht eines versteckten Sterns.
Auf dem Weg von beta Cep nach PV Cep kommt man unweigerlich am Irisnebel NGC 7023 mit dem zentralen HD 200755 vorbei. NGC 7023 ist ebenfalls ein Reflektionsnebel, keine 1,5 Grad neben GM 1-29, und auch das Alter des Sterns von 300.000 bis 400.000 Jahre stimmt überein. Der einzige Unterschied: Der junge Herbig-AeBe-Stern HD 200755 fällt mit seinen 7,4mag schon im Fernglas auf. Den umgebenen Nebel konnte ich im 80mm-Richfielder indirekt bereits mit dem 25mm (30x) deutlich als Halo des hellen Sterns sehen. Anschließlich suchte ich mit dem kleinen Refraktor noch die Cygnus-OB2-Assoziation auf, wegen der Müdigkeit habe ich die tiefergehende Beobachtung dann jedoch vertagt.
05.08.2013