Bonner Wissenschaftsgeschichte – eine Her(t)zenssache

Ein hauptberuflicher Stadtspaziergänger erzählt gleichzeitig etwas über Astronomie, Physik, Chemie und Geschichte? Das geht erstaunlich gut, wie der Bonner Historiker Rainer Selmann gestern Abend im Deutschen Museum Bonn bewiesen hat. Im Sommer und Herbst hatte er letztes Jahr den naturwissenschaftlichen Stadtspaziergang „Her(t)zenssache“ im Programm und nun sollte dem noch einen virtuellen Stadtrundgang als Abschluss folgen, denn schon am Sonntag endet die Heinrich-Hertz-Sonderausstellung „Vom Funkensprung zur Radiowelle“. Und neben Physiker Hertz (rechts), waren auch wieder Astronom Argelander (Mitte) und Chemiker Kekulé (links) mit von der Partie.

In dem gut einstündigen Vortrag wurden die Lebensläufe dieser drei herausragenden Naturforscher des 19. Jahrhunderts sehr gekonnt miteinander verwoben: Es ging um ihre Studentenzeit – tatsächlich waren alle drei Studienfachwechsler -, den Werdegang bis zum Höhepunkt ihres Schaffens, wie sie Rheinländer wurden, ihr Leben an der Bonner Universität, bis sie hier auch zwischen 1875 und 1896 verstorben sind.

Und wo findet man in Bonn heute noch ihre Spuren? Im Wechsel von historischen Abbildungen zu heutigen Ansichten wurden u.a. Hertz‘ Wohnhaus am Bahnhof, …

… Argelanders Sternwarte nahe der grünen Rasenfläche der Poppelsdorfer Allee …

… und Kekulés Chemiepalast (inkl. Ballsaal im rechten turmartigen Erker), das damals größte Chemieinstitut und direkt am Poppelsdorfer Schloss gelegen, gezeigt.

Nebenbei wusste der kundige Historiker auch noch über so manch anderen Ort Wissenswertes zu berichten: z.b. das zerstörte Hotel Kley in der Nähe des Koblenzer Tors (Hertz wohnte dort 1889 vorrübergehend), die Bastion des Alten Zolls am Rhein (geplanter Ort der Bonner Sternwarte) und der meterhoch mit Erde zugeschüttete Innenhof der Universität – diese feuchten Institutswände bedeuteten letztlich den Tod des Entdeckers der elektromagnetischen Wellen. Das Drängen von Hertz‘ Kollegen Heinrich Kayser auf Verbesserung der klimatischen Verhältnisse wird allen ernstes so kommentiert: „Nein, lieber Professor, so schnell geht das nicht. Da müssen erst noch ein paar Herren drauf gehen.“

Der Referent konnte Vergangenheit und Gegenwart gut verknüpfen, er konnte das Wesentliche ihrer ganz großen Leistungen verständlich schildern und hatte gleichzeitig auch den Blick für Kleinigkeiten, auf die man sonst weniger achtet. So ging es geschichtlich sehr informativ und zugleich anekdotenreich mit amüsanten Zitaten der drei Naturwissenschaftler, die für so manchen Lacher sorgten, auf dem virtuellen Spaziergang durch die Universitätsstadt von heute und gestern.

Und sogar heute noch kann man Hertz am Uni-Hauptgebäude antreffen.

Nach diesem würdigen Abschied von den Wahl-Bonnern Argelander, Kekulé und Hertz – alle drei hatten hier in den letzten Jahren eine Sonderausstellung erhalten -, verrieten Kurator Ralph Burmester und Rainer Selmann mit welchem Bonner Naturforscher es nach der Hertz-Ausstellung weitergehen wird. Das 19. Jahrhundert lässt man nun hinter sich und widmet sich ab Mitte November dem Teilchenphysiker Wolfgang Paul, der 1989 den Nobelpreis erhielt. Paul baute im Bonn der 50er Jahre den ersten Westentaschen-Teilchenbeschleuniger Europas (Synchrotron mit starker Fokussierung); u.a. wohnte der Physiker nur 200 Meter von der Kreuzbergkirche entfernt am Stationsweg. Und auch zu dieser Sonderausstellung wird es dann außerhalb des Museums wieder einen geschichtswissenschaftlichen Stadtspaziergang durch Bonn mit Rainer Selmann geben. Der wird nun über die nächsten Monate ausgearbeitet und steht erst in groben Zügen. Und wie es außerdem im Blog des Historikers und Berufsspaziergängers heißt, soll es den Vortrag „Her(t)zenssache“ bald auch im Theater der GaLarie Laë geben.

Einige Besucher waren wohl von dem interessanten Geschichtsvortrag über Heinrich Hertz‘ Leben und Wirken so angetan, dass sie sich im Anschluss gleich noch die „Bonner Originale“ des genialen Physikers in der Ausstellung ansahen. Zumindest bei den anderen Vortragsterminen hatte ich das so nicht erlebt.

11.01.2013

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