Am 05. Mai fand bereits die 28. Ausgabe des AstroTrödelTreffs ATT in Essen statt – offenbar die letzte ohne Videoüberwachung – und das absolute Hightlight war für viele Messebesucher sicher der Besuch von Al Nagler, dessen Okulare von unzähligen Hobbyastronomen verwendet werden. Etwa Viertel vor 11 kamen Lambert und ich an der Gesamtschule an und stürzten uns gleich ins Getümmel. Während er es sich am Heimatstand – mit neuem Konzept – des Oculum-Verlags bequem machte, schaute ich mich ein wenig auf der Messe um und bezog gleich einen Platz in der ersten Reihe von Stefans Venustransit-Vortrag. Thematisch ging es zuerst um himmelsmechanische Aspekte und später hauptsächlich um die großen Expeditionen des 18. und 19. Jahrhunderts, aber nicht nur, denn z.b. wurden auch Venustransits in der Kunst angesprochen. Wie Stefan zeigte, funktioniert das Motiv sogar als Backware und winkte mit einem Exemplar von seinen auf 100 Stück limitierten leckeren Transitkeksen.
Zum Schluss seines Vortrags folgte die angekündigte Welturaufführung einer einzigartigen „musikalischen Zeitreise“ durch die Astronomie- bzw. Weltgeschichte. Der 400 Minuten dauernde Venusdurchgang 2012 wird dabei auf 400 Sekunden verkürzt, gleichzeitig entpricht diese Zahl den vergangenen vier Jahrhunderten Erforschung der Venustransits. Die Komposition unter dem Titel „Transits in Time“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bonner Sternfreunde Paul Hombach und eben Stefan Krause. Mehr Bilder hab ich bei der zweiten Aufführung drei Tage später im Deutschen Museum Bonn aufgenommen. Die astronomische Klangcollage endete mit lautem Applaus.
Zum Stöbern im Messegedränge kam ich aber nicht, schließlich wollte ich mir für Al Naglers Vortrag um 14 Uhr einen guten Platz in der ersten Reihe sichern.
Neben mir hatte Als Frau Judi Platz genommen und plauderte mit den ATT-Machern aus dem Nähkästchen und als auch der Laserpointer besorgt war, konnte es schließlich losgehen – ohne Simultanübersetzer. Er erzählte, dass er zum ersten Mal Deutschland besuche, und hat als Fachmann für Linsen erstmal eine alte Karikatur von ihm richtig gestellt.
Seit einem Besuch des New Yorker Hayden-Planetariums im Jahr 1948 ist Al „infected with astronomy“. Hier fand auch das erste Date des seit 1961 verheirateten Paares statt. Witzige Anekdoten hatte der Optikdesigner genug auf Lager, selbst die amüsante Geschichte vom Police Officer und dem „coffin“ auf dem Rücksitz seines Checker-Taxis wurde zum besten gegeben. Zum Leidwesen seiner Mutter hat er beim Schleifen und Polieren des 20cm-Spiegels die Tischplatte der Nähmaschine ruiniert. Im Dezember 1955 erschien ein Artikel zu dem selbstgebauten Achtzöller und damit verdiente der 20-jährige Al Nagler sein erstes Geld mit der Astronomie. Damals wollte man – laut nebenstehender Anzeige – für ein Teleskop mit 280-facher Vergrößerung tatsächlich nur 3 Dollar 49.
Einige persönliche Bilder von den seinen ersten Teleskoptreffen wurden gezeigt. Beispielsweise war auf einem Foto seine Frau Judi und eine eingerahmte Aufnahme des Doppelsternhaufens im Perseus zu sehen. Damals schienen auch die Tuben noch stabiler gewesen zu sein, so zeigt ein Foto einen Mann beim Spaziergang auf einem Dobson.
Außerdem gab es schon skurrile Selbstbauten findiger Bastler. Da wurden Tuben als Schornsteine getarnt und sogar ein Radio-Teleskop für visuelle Beobachtung tüftelte jemand aus.
Soviel zum Hobbyastronom Al Nagler, und es folgte der Hauptteil, in dem über das titelgebene Riesenokular bzw. die Tätigkeit für die NASA erzählt wurde. Vor allem ging es hier um seine Arbeit am Apollo-Mondlandesimulator, für den er u.a. einen Aufbau aus einer 90cm-Linse und einem 2,4m-Spiegel entwarf. Damit wurde das mit einer TV-Kamera abgefilmte Bild einer Mondlandschaft in die Fenster des Simulators projiziert. Anhand einer schwarzen Kugel mit 1.000 Sternpunkten, wobei Al für mehr Realismus sogar einige Sterne vergoldete, wurde zusätzlich vom Projektor der Sternhimmel maßstabsgetreu abgebildet. Umgerechnet hatte dieses Raumschiff-verschlingende Okular eine Austrittspupille von 30cm, einen Augenabstand von 90cm und lieferte ein scheinbares Gesichtsfeld von 110°. Und damit hat das Ethos-Okular tatsächlich seinen Ursprung im Apollo-Projekt.
Und bei allen Optik-Fachbegriffen streute der 77-jährige oft lustige Geschichten zu Neil Armstrong, Alan Bean und anderen ein. Als Abschluss ging es um seine 1977 gegründete Firma TeleVue und gab einen Überblick über die gesamte Produktpalette – von den ersten Plössls und Barlows, über die berühmten Naglers bis zu den heutigen Ethos- und Delos-Okularen. Und als man „I Thank My Lucky Stars!“ auf der Leinwand las, endete der 50-minütige Vortrag des sympathischen Redners.
Die Aula leerte sich ziemlich schnell, doch ebenso zog es einige nach vorn. Viele Autogramme und Gruppenfotos wurden verlangt – aus irgendwelchen Gründen hat Al auch ein Foto von mir gemacht – und die eine oder andere Frage wurde noch beantwortet.
Ein Vater mit seinen beiden Töchtern wollte noch etwas zu seiner Begegnung mit Neil Armstrong wissen.
Vor der Show hat sich Patrick aus Bonn mit Al und seiner Frau Judi fotografieren lassen.
Und auch das ATT-Team von der Sternwarte fragte nach der Vorstellung.
Geduldig signierte Al Nagler alles, was man ihm hinhielt, und das war nicht nur Papier, seine Unterschrift war ebenso auf Tuben und Okularen begehrt. An diesem Tag hatte der berühmte Okularspezialist viel zu tun, so stellte er später persönlich am ICS-Stand den Prototyp des neuen 8mm Delos-Okulars vor. Hier gibt’s weitere Impressionen von ICS und Astroshop.
Und ja, auch ich bat um ein paar nette Worte.
11.05.2012
4 Antworten to “Ein Optikspezialist als Publikumsmagnet: Al Nagler in Essen”