Die Reihe „Pauls Portables Planetarium“ gehört mittlerweile zum festen Programmpunkt des Deutschen Museums Bonn. In jedem Termin sind es an die 100 Besucher, wenn Sternfreund (u.a. Moderator der Sternstunde), Musiker und Improvisationstheater-Mitglied Paul Hombach mit seiner Laptop-Sternwarte zu einem neuen Vortrag einlädt. Vorgestern war’s wieder soweit, nur hat’s leider wettertechnisch für eine anschließende Beobachtung (wie noch beim Februar-Termin) nicht gereicht. Dieses Mal war der Venustransit das große Thema des Abends, denn es ist kein Monat mehr bis zu diesem Jahrhundertereignis. Vor allem war ich auf die zweite Aufführung von Pauls „Transit-Sonate“, einer musikalischen Reise durch die Astronomie- bzw. Weltgeschichte, gespannt. Vor drei Tagen war ich bei der Uraufführung vor Messepublikum des ATT in Essen und nun sollte in Bonn die erste öffentliche Vorstellung folgen, wozu Paul sogar ein Keyboard mitbrachte.
Während sich der Vortragsraum langsam füllte, war ich noch in der angrenzenden Sonderausstellung zu Heinrich Hertz unterwegs. Nach Argelander und Kekulé wird mit Hertz an einen weiteren großen Naturforscher mit Bonn-Bezug erinnert. Neben den vielen originalen Ausstellungsstücken, fallen auch die wieder liebevoll gestalteten Infowände mit zahlreichen lebendigen Auszügen auf. So ist z.b. nachzulesen, wie das frisch vermählte Ehepaar Hertz/Doll gemeinsam experimentierte. An ihre Eltern schrieb Elisabeth im November 1886: „Ich beobachtete ganz kleine Fünkchen am einen Ende des Apparats, während Heinrich am anderen Drähte verschob. Die Sache gelang, nur sprangen wunderbarer Weise auch manchmal Funken zwischen uns über, was nicht zur Sache gehörte und ihr eher hinderlich war.“
In der Ausstellung wird auch Hertz‘ tödliche Erkrankung kurz erwähnt, wobei u.a. auch die feuchten Räume des Bonner Instituts zu seinem frühen Tod mit nur 36 Jahren führten.
Zwei Stimmgabeln zeigen, dass Hertz nicht nur elektromagnetische Wellen untersuchte, sondern sich auch für Schallwellen interessierte. Hauptsächlich geht es aber um seine Erforschung der „Strahlen elektrischer Kraft“. Während seiner Karlsruher Zeit entdeckte der Physiker die vorhergesagte Wellennatur des Lichts, widmete sich als erster dem Photoeffekt (1929 Nobelpreis für Einstein) und entwickelte eigenartig aussehende Apparte, mit denen er auch die Lichtgeschwindigkeit bestimmte.
Um 19:05 Uhr ging’s schließlich los. Unter das Publikum hatten sich auch etliche Sternfreunde des KBA und der VSB gemischt: Wilfried, Peter, Daniel, Stefan, Patrick und Tom mit seiner Frau. Mit kurzen einleitenden Worten begrüßte Museumskurator Ralph Burmester das wieder sehr zahlreich erschienene Publikum, das zwischen Teilchenbeschleuniger und Hertz-Ausstellung Platz genommen hatte, und übergab das Wort an Paul.
Zu Beginn erinnerte er an Helmut Burghardt, den kürzlich verstorbenen Leiter der Volkssternwarte Bonn (VSB) und widmete ihm seinen Vortrag. Damals am sonnigen Transittag 2004 hatte ich Helmut bei der öffentlichen Beobachtung auf der Wiese beim Poppelsdorfer Schloss kennengelernt.
An einen umfangreichen Blick an den aktuellen Nachthimmel mit Stellarium, schloss sich nahtlos das Hauptthema Venustransit. Paul zeigte ein (eigenes) Transitfoto, das selbst verrät, wann es nur aufgenommen worden sein kann.
Sogar eine aktuelle Venusaufnahme von mir schaffte es in den Vortrag. 24 Stunden zuvor hatte ich die jetzt schnell abnehmende Venussichel am blauen Taghimmel festgehalten und prompt war sie schon auf der großen Leinwand zu sehen.
Die Beschäftigung mit Venustransits ist vor allem Beschäftigung mit vergangenen Jahrhunderten. Und so ging es nach kurzem Einblick in die Himmelsmechanik natürlich um die Astronomiegeschichte der Venusdurchgänge und die Expeditionen des 18. und 19. Jahrhunderts. Vom Pechvogel des Jahrhunderts Le Gentil bis zu James Cook, dem „Oliver Kahn der Seefahrt“, von der Entdeckung des Tropfeneffekts bis zu den ersten Fotoplatten wurde umfangreich von der aufwändigen und nicht enden wollenden Suche nach der Parallaxe berichtet.
Mit einem Blatt Papier in der Hand ließ Paul sogar Jeremiah Horrocks zu Wort kommen. Bevor er mit nur 22 Jahren starb, beobachtete er 1639 als erster die Venus vor der Sonne und hat insgesamt drei Bahnpositionen vermessen.
Als Musiker beschäfigt sich Hobbyastronom Paul Hombach zusätzlich mit Sonifikation, der Vertonung astronomischer Daten. Um das wohlklingend umzusetzen, muss auch schon mal ein 61/8-Takt her. Ein paar Klangbeispiele zeigten, dass man über vertonte Venustransit-Zahlen selbst wunderbar Orgelmusik einer Bach-Fuge legen kann oder sogar ein flotter „Transit-Groove“ entstehen kann.
Aber nicht nur Eigenkompositionen waren zu hören. Auch der für den Venusdurchgang 1882 von John Philip Sousa komponierte Marsch wurde eingespielt. Übrigens schaffte es Sousas Musik in den Siebzigern sogar in die Comedy-Show „Monty Python’s Flying Circus“.
Da sich bekanntlich kein Venusdurchgang im 20. Jahrhundert ereignete – es wird erst der zweite Transit sein, den Pauls Oma mit 103 Jahren erleben wird -, plauderte er anschließend über seine eigene Beobachtung im Jahr 2004. Während er in der Eifel beobachtete, ging Daniels Transitexpedition nach Südafrika. Aus einer Basis von rund 8.000 Kilometern ließ sich so tatsächlich ein Parallaxeneffekt nachweisen, mit dem sie eine Sonnenentfernung von ca. 152 Millionen Kilometer errechneten. Vor ein paar Monaten kam eine Transitskizze von Daniel sogar zu philatelistischen Ehren, sie erscheint nämlich auf einer südafrikanischen Briefmarke.
Zum Ende des Vortrags ging es noch kurz um aktuelle Ereignisse. Neben genialen Aufnahmen der Shuttle-Überführungen, wurden auch Bilder zu der Tageslicht-Feuerkugel von Ende April über Kalifornien und bereits gefundenen Meteoritenstücken gezeigt.
Danach folgte endlich die ersehnte Aufführung von „Transits in Time“. Nach einer Idee von Stefan und Paul wird bei dieser Komposition der Venustransit 2012 im Maßstab von 1:60 vertont, d.h. das Stück dauert 400 Sekunden. Diese Zahl entspricht außerdem 400 Jahre Himmelsbeobachtung mit dem Fernrohr, steht aber gleichermaßen für fast 400 Jahre Venustransit-Geschichte (1629 von Kepler berechnet, 1631 erster Beobachtungsversuch von Gassendi und 1639 erste erfolgreiche Beobachtung von Horrocks).
Alle blickten gespannt auf die Leinwand, eine Triangel im Sekundentakt war zu hören und man sah wie ein winziges, schwarzes Scheibchen langsam und sprunghaft vor die große, gelbe Sonne wanderte. Mit dem Venustransit als Leitmotiv begann eine musikalische Zeitreise durch vier Jahrhunderte – für die nächsten 400 Sekunden. Paul begleitete seine astronomische Klangcollage zusätzlich am Keyboard.
Man hörte bekannte Melodien aus der Klassik, erkannte die Männer der großen Venustransit-Expeditionen wieder, Bilder aus der Zeit der Industralisierung erschienen, die Titantic war zu sehen, Orson Wells‘ „Krieg der Welten“ war zu hören und schon tauchten Stuka-Jagdflieger aus dem Zweiten Weltkrieg in der Sonnenscheibe (letztes Bild) auf. Man hörte Sputnik funken und Neil Armstrongs berühmten Satz. Doch da nicht alle historischen Klangschnipsel frei verwendbar sind, musste auch schon mal improvisiert werden, d.h. der zu hörende Mauerfall-Jubel war eigentlich eine nachgestellte Aufnahme von vier KBA-Mitgliedern.
Nach 400 Sekunden endete diese geniale audiovisuelle Zeitreise mit der Weltkarte zum nächsten Venustransit im Jahr 2117, es folgte rauschender Applaus. Nach etwas über anderthalb Stunden endete damit auch die große Venustransit-Show im Museum. Die nächste Ausgabe von „Pauls Portables Planetarium“ gibt’s dann in zwei Monaten am 03. Juli. Weitere Impressionen vom Vortrag gibt’s hier von Daniel.
Sicher wird „Transits in Time“ bald bei Youtube erscheinen, doch zuvor gibt es noch eine dritte Live-Vorführung und diesmal teilen sich Stefan und Paul den Sprecher-Part. Dieser Vortrag wird am 22. Mai ab 19:30 Uhr im Argelander-Institut in Bonn-Endenich stattfinden.
10.05.2012
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