Archive for the 'Beobachtungsberichte' Category



SN 2011ht, Eros, XZ Tau und ein Zwergenpaar

21./22. November 2011 – Montag/Dienstag

Nach der erfolgreichen Sichtung des chinesischen Himmelspalastes in der Umlaufbahn, stellte ich später am Abend noch meinen 12″-Dobson auf die Terrasse und griff mir zwei Okulare aus der Box. Seit ich vor zwei Wochen von PSN J10081059+5150570 las, stand dieses heller werdende Objekt in der Galaxie UGC 5460 auf meiner Liste. Es wurde am 29. September, was zufälligerweise das Startdatum von Tiangong 1 ist, entdeckt. Der britische Hobbyastronom und Supernovajäger Tom Boles geht schon auf die 70 zu, entdeckt aber immer noch mehrere Sternexplosionen jedes Jahr. Der 17,0mag helle Lichtpunkt in UGC 5460 war zwar erst der zweite Fund in diesem Jahr, aber insgesamt gesehen seine 140. Supernova-Entdeckung! Zuerst wurde das Objekt für einen hellen Ausbruch gehalten, einen so genannten „Supernova Impostor“, doch die Helligkeit stieg immer weiter, dass selbst eine Eruption eines massereichen LBV-Sterns wie eta Car nicht mehr in Frage kam. In einer Meldung vor zwei Wochen wurde die Quelle schließlich als „ungewöhnliche IIn Supernova“ bezeichnet, seit dem wird sie als SN 2011ht geführt.

Dank der hellen Leitsterne in einem Vorderlauf des Großen Bären, war die Position schnell gefunden. Ich vergrößte mit dem 9mm-Okular, warf noch einen Blick auf die Karte und sah dann schon den gesuchten Lichtpunkt. Ein zerstiebender Stern in 63 Millionen Lichtjahren Entfernung. Er war leicht indirekt auszumachen, unter etwas besseren Bedingungen wäre er sicher direkt sichtbar gewesen, von der Galaxie war natürlich keine Spur. Ende Oktober wurde seine Helligkeit mit 14,5mag angegeben, jetzt schätzte ich sie sicher auf 14,0mag. Die über 10.000 Kelvin heiße Trümmerwolke des gesprengten LBV-Sterns hat bereits die Größe unserer Planetensystems erreicht.

Danach schwenkte ich hoch zu Aldebaran, wo ich in der Nähe einen prüfenden Blick auf XZ Tau werfen wollte. Ich denke immer noch, dass sich hier gerade ein Ausbruch abspielt, und weiterhin zeigt er sich als Stern 12. Größe. Im 9mm ist auch der 14,0mag schwache Begleiter HL Tau sichtbar. Auch wenn sich der Flare als Irrtum rausstellen sollte, ist es dennoch ein interessantes Paar. Denn immerhin sollen beide Sonnen nur 100.000 Jahre (oder sogar jünger) alt sein. Als nächstes visierte ich die gleiche Bärenpranke von vorhin hin und wollte hier nach (433) Eros suchen. Mit dem 25mm-Okular und einer genauen Karte war er auch unter den hellen Sternen eindeutig zu identifizieren. Er dürfte etwa 11,0mag hell gewesen sein, nach Calsky sollen es bereits 10,5mag sein. Eros, ein kleiner Asteroid mit Abmessungen von 34x11x11, erreicht ja Ende Januar/Anfang Februar seine hellste Opposition in 80 Jahren. Er soll bis zu 8,0mag hell werden und wird dabei südlich des Löwen zu finden sein.

Ich visierte das Sternbild Dreieck an. Von hier aus suchte ich einen verlorenen Hyadenstern, von dem ich letzte Woche gelesen hatte. Er befindet sich ungefähr zwischen den Plejaden (M 45) und der Andromedagalaxie (M 31), etwas östlich des Dreiecks bzw. rund 30° vom Hyaden-Haufen entfernt. Auch hier gibt’s jede Menge Sterne, dass man gemütlich zum Zielpunkt hüpfen kann, eher machte da der schon zugetaute Sucher Probleme. Für die Sichtung des angepeilten Sterns reichte ebenso das 25mm. Am unteren Gesichtsfeldrand stand ein 8,0mag-Stern, darüber war eine Reihe aus Sternen 11. Größe zu erkennen. Darin fand ich ein etwa 13,0mag heller Punkt. Dabei handelt es sich eigentlich um ein Doppelstern, dass es aus einem Roten Zwerg und dem Weißen Zwerg WD 0217+375 besteht. Die Bewegung und Photometrie des Systems ergab, dass es sich vermutlich um ein ehemaliges Mitglied der Hyaden handelt, mittlerweile ist es fast 100 Lichtjahre vom Haufenzentrum entfernt.

Ich hätte mir gerne mal wieder einen Quasar vorgenommen, zum einen jedoch war der Himmel stellenweise wieder milchig und dunstig (im Fernglas kam ich gerade mal bis 9,0mag), zum anderen tropfte der Sucher ja schon. Um 1 warf ich noch kurz einen Blick auf Jupiter. Ios Transit war schon vorüber, in besseren Momenten konnte ich auf dem flauen Planetenbild noch den Mondschatten dicht am Rand erkennen. 5 Minuten später packte ich aber zusammen, mehr würde sich eh nicht lohnen. Immerhin eine schöne 90-minütige Himmelstour, endlich wieder ohne Mond.

Himmelspalast auf Kollisionskurs

21. November 2011 – Montag

Seit fast zwei Monaten kreist in 370 Kilometer Höhe die erste chinesische Raumstation um den Globus: Tiangong 1. Da das Wohnmodul gerade mal ein 5 Meter langer und 3,4 Meter breiter Zylinder ist, wurde im Radio mehr von einer Studentenbude statt von einem Himmelspalast gesprochen. Bisher hat es mit einer Sichtung nicht geklappt, so auch an den Tagen der jetzigen Abendsichtbarkeit. Jeweils zu den Überflugzeiten am Samstag und Sonntag saß ich im Auto, aber gestern hab ich den Himmelspalast im Orbit endlich gefunden.

Mit einer Höhe von 18° sollte um 18:45 MEZ das Raummodul durch den Steinbock ziehen. Ich wusste noch, dass (4) Vesta ebenfalls in diesem Sternbild unterwegs ist. Ich checkte die Position und sah ganz klar, dass Tiangong 1 eng an dem Asteroiden vorbeiziehen sollte.

Wie an den letzten Abenden war die Durchsicht nicht die beste, so dass Vesta selbst mit 7,8mag im 10×50-Fernglas gerade noch zu sehen war. Pünktlich auf die Minute hielt dann ein mäßig heller Lichtpunkt direkt auf den 500 Kilometer großen Asteroiden, um den immer noch die Sonde Dawn kreist. Die Raumstation verfehlte Vesta tatsächlich nur knapp, vielleicht 10 Bogenminuten. Die bei Heavens Above angegebene Helligkeit von 2,0mag stimmte nicht, sie dürfte eher bei 4,5mag gelegen haben. Aber immerhin konnte ich so kurz den chinesischen Himmelspalast beobachten. Die ISS sieht ja jeder. ;)

Supernova 2011fe: Leuchtende Positronen im Fernglas

Wegen unserer Renovierung dauert’s aktuell nochmal länger als sonst mit meinen Beobachtungsberichten. Darum gibt’s jetzt erst meinen Text zu einem kurzen Beobachtungsabend vor drei Wochen.

05./06. September 2011 – Montag/Dienstag

Bevor es erstmal mit dem spätsommerlichen Wetter – dank des Ex-Hurrikans Irene bei Island – und den klaren Nächten vorbei sein würde, sollte der Montagabend nach den Prognosen noch überwiegend wolkenlos bleiben. Und da für den Rest der Woche wechselhaftes Wetter angekündigt wurde, wollte ich doch unbedingt nochmal die Supernova 2011fe mit dem Fernglas anpeilen, denn so ein Maximum hält ja auch nicht ewig. Um dieses Mal auf Nummer sicher zu gehen, entschied ich mich gegen den aufgehellten Gartenhimmel und fuhr stattdessen raus zu meinem Deep-Sky-Stammplatz. Nun ja, dass mittlerweile schon wieder ein leuchtender Halbmond am Himmel stand, muss mir irgendwie entgangen sein. Und doch bin ich ohne große Vorbereitung um Viertel vor 10 in Richtung Eifel losgedüst; der Mond wies mir den Weg.

Kurz nach 10. Im CD-Player rotierte mein Sampler des Haldern-Festivals 2011 und es lief gerade das wunderbare „Orange Sky“ von Alexi Murdoch, als ich am Platz ankam. Ich begrüßte kurz Max und seinen Freund, stellte schnell das 20×60 auf und erkannte sofort den neuen Stern in M 101. Trotz hellem Halbmond fiel er mir ohne Dunkeladaption gleich ins Auge. Ich dachte nur noch: Wahnsinn! Das Radio war noch an und ich hörte „Sunrise“ von Hauschka, was diesen „Sonnenaufgang“ (besser Untergang) in 21 Millionen Lichtjahren Entfernung irgendwie passend untermalte. Was für ein Anblick. Zu meiner letzten Beobachtung ist die Supernova tatsächlich noch etwas heller geworden. Dass es trotz Mondlicht so einfach mit dem Fernglas werden würde, hatte ich wirklich nicht gedacht; zum Glück hatte ich das Stativ ganz zufällig im Schatten einer entfernten Baumkrone aufgestellt. Nur mit T-Shirt stand ich am Fernglas und sah diesem fernen Leuchten zu. Als nächstes hörte ich noch die Wild Beasts aus dem Auto. Es ist zwar bloß ein kleiner Lichtpunkt, doch in Wahrheit spielt sich in diesem kosmischen Biest gerade Unvorstellbares ab. Denn wie das Spektrum bereits verriet, expandiert die Trümmerwolke mit rund 20.000 km/s, woraus sich ableiten lässt, dass sich der u.a. mit Silizium und Magnesium angereicherte Plasmaball schon auf über 300 AE ausgedehnt hat – entsprechend der dreifachen Größe des Kuiper-Gürtels.

Und wann kann man schon radioaktives Glimmen in einer fernen Himmelsobjekt im Fernglas beobachten? Denn die Überreste des gesprengten Weißen Zwergs werden ja durch die Zerfallskette von Nickel über Kobalt zu stabilem Eisen zum Leuchten angeregt: Gammaquanten und vor allem Positronen entstehen, die durch Streuung in dem Feuerball letztlich in optisches Licht umgewandelt werden. Man kann also quasi in 21 Millionen Lichtjahren indirekt Antiteilchen leuchten sehen. Die Astrophysik macht diesen Lichtpunkt – wie jeden anderen auch – für mich so besonders. Eine genaue Helligkeitsbestimmung war aufgrund des Windes nicht ganz leicht; wenn Hoch- und Tiefdruck aufeinandertreffen wird’s schon mal luftiger. Ich schätzte Supernova 2011fe schließlich auf etwa 10,2mag. Kurz nach der Entdeckung hatte ich für das Maximum 10,0mag berechnet, dann tritt es tatsächlich ein und es reicht ein Fernglas für ihre Beobachtung.

Mein 10×50 hatte ich leider daheim vergessen, zum Glück half mir da Max aus. Ich legte sein 10×50 auf das große 20×60 und schon ließ sich die Sternexplosion mit der Kraft von 3 Milliarden Sonnen selbst im kleinen Fernglas indirekt erkennen. Irgendwann war der Mond verschwunden und die Milchstraße über unseren Köpfen zeigte sich markanter und strukturierter. In Max‘ Achtzöller stellte ich natürlich auch M 101 mit dem neuen Stern ein und zusätzlich peilte ich noch kurz NGC 5471 an, um den beiden eine gigantische Nebelregion am äußersten Rand von M 101 zu zeigen. Im Okular ist es nur ein 13,5mag schwaches Fünkchen, doch handelt es sich dabei um einen über 1.600 Lichtjahre ausdehnten Nebelkomplex, der M 42 um 2 Größenordnungen und sogar NGC 604 in M 33 übertrifft. Weitere Ziele im Dobson waren u.a. der Apfelgriebschnebel M 27 inkl. zentralen Weißen Zwerg, der Supernovaüberrest Cirrusnebel, Komet Garradd, der vor ein paar Tagen Collinder 399 passiert hatte, und ein wabernder Jupiter, dessen Äquatorbänder wieder vollzählig waren. Als reiner Laie konnte sich so Max‘ Freund bei den diffusen Objekten gleich in indirektem Sehen üben. In meinem 20×60-Fernglas zeigte ich ihm neben Komet Garrad noch den Kleiderbügel, den Doppelsternhaufen im Perseus und den Grinsekatzen-Asterismus im Fuhrmann. Übrigens kam Lewis Carroll vor fast genau 150 Jahren während einer Themsefahrt bei Oxford auf die Idee zu seinem Kinderbuchklassiker Alice im Wunderland.

Doch jeder Abend muss einmal zu Ende gehen. Es wurde gelacht und rumgealbert, viel über Astrophysik gequatscht und gemeinsam genossen wir die Anblicke des dunklen Sternhimmels. Als der Mond nicht mehr störte, kam ich mit dem SQM auf einen Wert, der immerhin etwa 6,3mag entsprechen dürfte. Für mich war’s zwar nur ein kurzer, ebenso aber ein kurzweiliger Spechtelabend, denn die Zeit verging wieder einmal im Flug und da der Wecker schon um Viertel vor 6 rappeln sollte, machte ich mich gegen halb 1 verspätet auf den Heimweg. Auf dem Weg vom Platz runter zur Bundesstraße begegnete mir an der selben Stelle wie auf der Hinfahrt eine kleine Gruppe Rehe, die am Straßenrand nicht so recht wusste wohin und dann die Böschung hoch ist.

27.09.2011


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