
Der Erfinder und sein „magisches Fernglas“
Celestron hat es 2006 mit dem SkyScout vorgemacht und in der heutigen Smartphone- und Tablet-Ära reicht bereits eine von dutzenden Planetariums-Apps aus, um mit digitaler Hilfe den Sternhimmel zu entdecken. Man richtet das Gerät einfach zum Himmel und bekommt auf dem Display direkt Informationen zu einem bestimmten Stern angezeigt. Martin Neumann, ein begeisterter Hobbyastronom, Blogger, kreativer Kopf und Unternehmer aus Bornheim bei Bonn, hat die Idee weitergedacht und verfeinert. Der 48-Jährige, der sich mit 9 Jahren schon ein Fernglasstativ bastelte, nutzt dafür das Zauberwort Augmented-Reality (AR), das aktuell durch die Markteinführung von Google-Glass für viel Gesprächsstoff sorgt. Neumann nennt seine innovative Google-Glass-für-Sternfreunde-Erfindung ganz einfach universe2go, die man via Crowdfunding noch bis zum 31. Mai finanziell unterstützen kann. Auf den ersten Blick sieht die Plastikbox wie ein einfaches Fernglas aus, doch tatsächlich verwandelt universe2go das Smartphone zu einem neuartigen persönlichen Planetarium, das den realen Sternhimmel zeigt und dazu gibt es informative Einblendungen. In verschiedenen Modi – von Audioführungen bis zu 3D-Ansichten – können besonders Laien und Hobby-Einsteiger den Nachthimmel auf eine neue Art kennenlernen. Bei der Erfindung geht es um das „einzigartige Erlebnis der Symbiose von natürlichem Sternenhimmel und virtuellen Grafiken und Bildern“, so der Sternfreund des Köln-Bonner-Astrotreff (KBA), der mir für meine StarTalk-Reihe einige Fragen beantwortete.
12 Fragen an Martin Neumann …
- Wann und wie wurden Sie mit dem Astrovirus angesteckt?
- Was macht für Sie den Zauber der Sterne aus?
Als Kind war es die Neugier. Je älter ich werde, umso mehr weicht die Neugier der Ehrfurcht und dem Staunen. Dieses Gefühl, auf der einen Seite so ein winziges, winziges (muss man zweimal sagen ;-)) Wesen auf dieser großen Bühne zu sein und gleichzeitig das bewusste Zentrum der eigenen Existenz als Teil dieses Schauspiels zu sein, haut mich jedesmal um. Am stärksten habe ich dieses Gefühl, wenn ich den Lagunennebel im Schützen mit bloßem Auge am Himmel anschaue. Er ist so größer als der Vollmond, aber 5.200 Lichtjahre entfernt. Dann erinnere ich mich an Reisen nach Nord-Norwegen. Wie groß müsste etwas sein, dass dort am Nordkap steht und hier in Köln so groß wie der Vollmond am Horizont erschiene? Ich habe es nie ausgerechnet, aber mein Gefühl sagt mir: gigantisch groß. Und dieser Lagunennebel ist noch mal 10 Billionen Mal weiter weg. So bekomme ich einen Bezug dazu und mir scheint es fast, als könnte ich mir vorstellen, wie riesig er ist. Mit der Andromedagalaxie funktioniert das übrigens bei mir nicht. Die ist einfach zu groß für meinen Geist. Aber Größe ist nicht alles. Die pure Schönheit der funkelnden Sterne lässt sich halt trotz toller Technik (noch?) nicht simulieren. Das Planetarium in Bochum zum Beispiel ist fantastisch, aber mit dem Original (ohne Lichtverschmutzung) kann es sich nicht messen. Ich überlasse hier Ralph Waldo Emerson das Wort: „Stars: Seen in the streets of cities, how great they are! If the stars should appear one night in a thousand years, how would men believe and adore; and preserve for many generations the remembrance of the city of God which had been shown! But every night come out these envoys of beauty, and light the universe with their admonishing smile.“
- Welches sind Ihre unvergesslichsten Astroerlebnisse als Hobbyastronom?
- Wann und wie kam es zur Idee für universe2go?
Die besten Ideen bekommt man ja nach einer populären Kreativitätstheorie, wenn man entspannt ist und eben nicht am Schreibtisch sitzt. Archimedes in der Badewanne, Newton beim Nickerchen unter’m Apfelbaum, Mullis auf der Fahrt in den Skiurlaub. Mir kam die Idee für ein Augmented-Reality-Okular damals während der Side-Reise beim Spazieren. Das habe ich dann auch entwickelt und zum Patent angemeldet. Viele hundert Stunden und viel Geld habe ich da hinein gesteckt, nur um dann am Ende zu erfahren, dass das Max-Planck-Institut in Saarbrücken, die gleiche Idee drei Monate vor mir zum Patent angemeldet hat. Das war aber ganz okay. Ich bin hingefahren und habe die nette Bekanntschaft mit dem Doktoranden Andrei Lintu gemacht. Viel frustrierender war, dass sich offensichtlich niemand für die Erfindung interessiert, das MPI hat mittlerweile das Patent fallen gelassen. Manche Ideen kommen halt zur falschen Zeit. Aber ausgehend von dieser Idee kam mir vor etwa 3 Jahren die Idee: „Wieso nutze ich eigentlich nicht mein iPhone als Sensor und Display?“ Und dann war auch klar, dass ich es diesmal nicht nur für das Fernrohr und Hobbyastronomen bauen wollte, sondern insbesondere auch für den Laien.
- Die Lücke zwischen Beobachtung und Information versuchte Celestron schon mit dem SkyScout zu schließen und heute kann man mit jedem Smartphone via Planetariums-App den digitalen Himmel entdecken. Was ist das Neue bei Ihrem „magischen Fernglas“?
- Wie sieht der Entwicklungsprozess für universe2go im Überblick aus?
Der erste Prototyp war schnell mit Hartschaumplatten und ein paar Linsen mit Uhu zusammengeklebt. Da zeigte sich direkt: Die Idee funktioniert. Edison hat gesagt „Innovation ist 1 % Inspiration und 99 % Transpiration“ und so war es entsprechend noch ein sehr langer Weg vom ersten zu dem jetzt voll funktionsfähigen Prototypen. Dazu mussten parallel die Hardware, die Software und die Inhalte entwickelt und erstellt werden.
- Was war technisch gesehen die größte Herausforderung?
Eine große Herausforderung war das Bedienkonzept. Wie bedient man ein Smartphone, welches sich in einem geschlossenen Gehäuse befindet? Im Starter-Modus muss man gar nichts bedienen, denn da schaut man einfach auf einen Stern und los geht es. Aber ich wollte mehr: Mythologie-Modus, Deep Sky-Modus, Quiz-Modus, Such-Modus und dafür brauchte ich ein Interaktionskonzept. Da habe ich drei komplett verschiedene Varianten entwickelt und getestet. Am Ende hat sich die jetzige Methode mit Hilfe von Kopfbewegungen als die beste erwiesen. Man braucht nur ca. 1 Minute, um sie zu erlernen, wie bereits viele Tester beweisen haben.
Aber die größte Herausforderung waren die unzuverlässigen Smartphone-Sensoren, insbesondere der Kompass. Das hat mich fast wahnsinnig gemacht. Manchmal funktioniert er gut, aber oft liegt er bis zu 20 Grad daneben. Das ist natürlich völlig inakzeptabel. Nach 3 Monaten intensiver Entwicklungsarbeit und Testen alleine für dieses Problem habe ich dann endlich eine Lösung gefunden, mit der ich sehr zufrieden bin.
- Für wen ist universe2go besonders interessant? Wem empfehlen Sie es?
Ich wünsche mir, dass universe2go gerade Anfängern die Entdeckung des Himmel erleichtert, weil es ein sehr spielerischer Zugang ist. Und daraufhin habe ich auch die Auswahl der Objekte und die Geschichten für die Audioführungen ausgerichtet. Ein Beispiel: Statt alle 7.000 Galaxien aus dem NGC-Katalog gibt es ca. 100 Deep-Sky-Objekte die schön anzusehen sind, eine interessante Geschichte bieten und zum großen Teil mit günstigem Amateur-Equipment aufgefunden werden können. Natürlich interessieren sich auch Hobbyastronomen für diese neue Erfindung. Innovationen gibt es in der Astronomie ständig. Meist sind dies Verbesserungen und Leistungssteigerungen der Teleskope, Kameras und des Zubehörs. Aber neue Produktideen wie universe2go wecken natürlich die Neugier.
- Was waren die bisherigen Reaktionen auf Ihre Erfindung?
- Parallel zur Crowdfunding-Aktion sind Sie auch mit Interview und Stand bei der Astromesse ATT dabei?
Ja, universe2go wird auf dem ATT am 10. Mai in Essen vorgestellt, das ist übrigens Messe-Premiere. Und ich freue mich sehr, dass mich Paul Hombach zu einem Live-Interview für die interstellarum-Sternstunde zum ATT eingeladen hat.

Der universe2go-Prototyp im Einsatz beim Astronomietag 2014
- Was sind die langfristigen Pläne für Ihr „Google Glass für Sternfreunde“?
- Das Universum in einem Satz:
Vielen Dank für das Interview!
11.04.2014
3 Antworten to “Im StarTalk mit … Martin Neumann”