
Ob Erforschung von Exoplaneten, Kartierung von stellaren Flecken und Magnetfeldern oder Messungen der Bewegung von Nebelregionen in M 31 (Dunkle Materie) und Distanzen entferntester Typ-Ia-Supernovae (Dunkle Energie) – all das beruht auf dem Studium der Fraunhoferlinien, an die ebenfalls eine neue Sonderbriefmarke erinnert. [1]

Spektralapparate von gestern bis heute [2]
Im Zuge meines interstellarum–Artikels „Der Schlüssel zur Astrophysik“ (erscheint am 24. Januar) hat sich gezeigt, dass sich die gesamten astrophysikalischen Errungenschaften bezüglich Fraunhofers wahrer Schlüsselentdeckung nicht einfach auf sechs Seiten darstellen lassen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle die vermutlich vollständigste Liste zum Thema 200 Jahre Fraunhoferlinien zusammenstellen. Diese Übersicht/Zeittafel soll den Siegeszug der Fraunhoferlinien bzw. der Spektroskopie in der Astronomie deutlich machen und über die Geschichte, den Fortschritt bis zur heutigen Astrophysik und einige der interessantesten Entdeckungen informieren.
Jahr | Entdeckung |
1802 | William Hyde Wollaston entdeckt erstmals einzelne Spektrallinien im Sonnenlicht |
1814 | Unabhängig entdeckt Joseph Fraunhofer die später nach ihm benannten Spektrallinien und untersucht sie systematisch |
1819 | Fraunhofer findet die dunkle D-Linie auch im Licht von Kapella und Pollux |
1822 | Mit einem Diamanten stellt Fraunhofer sein bestes Beugungsgitter her: 3.601 Linien ritzt er in ein 12cm großes Glasstück (302 Linien pro Millimeter) |
1826 | Der Entdecker der Fraunhoferlinien stirbt mit nur 39 Jahren |
1835 | Nach Auguste Comte können wir nur die Bewegungen der Sterne studieren, denn »wir werden niemals durch irgendein Mittel ihre chemische Beschaffenheit oder ihre mineralogische Struktur […] bestimmen können« |
1840 | Nach Friedrich Wilhelm Bessels Worten bildet einzig die Himmelsmechanik »das eigentliche astronomische Interesse« |
1841 | Christian Doppler beginnt mit der Ausarbeitung des nach ihm benannten Doppler-Effekts |
1842 | Edmond Becquerel, Vater des Nobelpreisträgers Henri Becquerel, fotografiert erstmals Spektrallinien |
1845 | Ein Kritiker Dopplers bestätigt mit Trompeten auf der Schiene die Richtigkeit des akustischen Doppler-Effekts |
1848 | Sind für Doppler die Farben der Sterne Ausdruck ihrer Geschwindigkeit, beschreibt als erster Hippolyte Fizeau die Verschiebung von Spektrallinien und gilt als »Grundleger der spektroskopischen Methode der Geschwindigkeitsbestimmung« |
1859 bis 1862 | Kirchhoff und Bunsen entschlüsseln die Fraunhoferlinien, erkennen die D-Linie als Natrium und begründen so die Spektralanalyse und damit die Astrophysik |
1862 | Michael Faraday sucht mit Elektromagnet, Spektroskop und Kerzenflamme den Einfluss von Magnetfeldern auf das Spektrum |
1864 | William Huggins beobachtet erstmals das Spektrum eines Planetarischen Nebels (NGC 6543) |
1865 | Für das neu entstehende Gebiet der Spektralanalyse prägt Karl Friedrich Zöllner in seiner Doktorarbeit den Begriff »Astrophysik« |
1865 | Als erster verwendet Wilhelm Klinkerfues Sternspektren zur Messung von Geschwindigkeiten |
1866 | Ein neuer Stern in der Nördlichen Krone ist die erste spektroskopierte Nova (T CrB) |
1867 | Erstmals wird nach der Doppler-Verschiebung von Spektrallinien gesucht |
1868 | Eine unbekannte Spektrallinie wird entdeckt und später Helium nach dem griechischen Sonnengott genannt |
1869 | Doppler-Verschiebungen im Sonnenspektrum verraten bis zu 240km/s schnelle Protuberanzen |
1888 | Algol ist der erste spektroskopisch entdeckte Doppelstern |
1896 und 1897 | Im Labor entdeckt Pieter Zeeman den nach ihm benannten Effekt der Verbreiterung und Aufspaltung von Spektrallinien durch Magnetfelder |
1905 | Mit Sternen, deren »Linien ungewöhnlich eng und scharf sind« entdeckt Ejnar Hertzsprung Sternriesen und -zwerge, was später zur Entstehung des Hertzsprung-Russell-Diagramms führt |
1908 | Erstmals erscheint der Begriff »Rotverschiebung« und mit dem Zeeman-Effekt wird erklärt, dass Sonnenflecken starke Magnetfelder sind |
1914 | Vesto Slipher präsentiert mehrere Geschwindigkeitsmessungen von Galaxien |
1917 | Willem de Sitter gilt als Entdecker des kosmologischen Rotverschiebung und fand – mit einem Modell eines statischen Universums -, dass sie eine Eigenschaft der Raumzeit ist |
1925 | Cecilia Payne zeigt in ihrer Doktorarbeit, dass die Sonne zu 98% aus Wasserstoff und Helium besteht, obwohl 1/3 der Spektrallinien Eisenlinien sind |
1933 | Radialgeschwindigkeitsmessungen im Coma-Galaxienhaufen führen zur Entdeckung der Dunklen Materie |
1939 | Eine Spektrallinie von 13-fach ionisiertem Eisen (Fe XIV) verrät die extrem heiße Sonnenkorona |
1946 | Horace Babcock beginnt die (magnetische) Suche nach dem Zeeman-Effekt in Sternspektren |
1960 | Basierend auf den Doppler-Effekt entsteht die Helioseismologie |
1963 | Maarten Schmidt stößt auf die hohe Rotverschiebung des sternähnlichen Objekts 3C 273 und entdeckt damit den ersten Quasar |
1970 | Weiterer Hinweis auf Dunkle Materie durch Spektroskopie von Gasnebeln in M 31 |
1971 | Ein Doppler-Merkmal verrät ein Schwarzes Loch bei HDE 226868 |
1980 | Die Suche nach Exoplaneten mit der Doppler-Methode beginnt |
1982 | Für eine Analysemethode, mit der sich Sternflecken und Elementhäufigkeiten auf Sternoberflächen kartieren lassen, entsteht der Begriff »Doppler Imaging« |
1987 | Ein Doppler-Signal von gamma Cep ist der erste Hinweis auf einen Exoplaneten, bestätigt wird er jedoch erst 2002 |
1988 | Als Weiterentwicklung entsteht das »Doppler Zeeman Imaging«, das die Polarisation in den Fraunhoferlinien zur Kartierung von stellaren Magnetfeldern nutzt |
1995 | Ein Doppler-Signal von 51 Peg führt zum ersten Exoplaneten bei einem sonnenähnlichen Stern |
1998 | Insgesamt 52 Spektren tragen zur Entdeckung der Dunklen Energie bei |
1999 | Die Analyse von fünf Eisenlinien im Spektrum von XX Tri führt zur Entdeckung des größten Sonnenflecks |
2000 | Die Natriumlinie wird erstmals bei einem Exoplaneten nachgewiesen |
2011 | Die Entdecker der beschleunigten Expansion des Universums werden mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet, was aber die Dunkle Energie ist, ist weiterhin völlig unklar |
2013 | Ungefähr die Hälfte von 1.000 entdeckten Exoplaneten wurde mit dem Doppler-Effekt gefunden |
2014 | Entdeckung des bislang eisenärmsten Sterns (sein Spektrum zeigt keine einzige Eisenlinie), so dass er nun als ältester Stern überhaupt gilt |
2014 | PEPSI wird am LBT installiert und der neue HRS-Spektrograf wird am 11m-SALT-Teleskop in Betrieb genommen |
[1] Oben links: ESA, NASA, G. Tinetti, M. Kornmesser; unten links: P. Petit; unten rechts: A. Weis; Mitte rechts: NASA, ESA, High-z Supernova Search Team; oben rechts: cyan, Berlin
[2] Bild 1: Fraunhofer-Gesellschaft; Bild 2: Klaus Hübner: Gustav Robert Kirchhoff; Bild 3: K. Habel; Bild 4: Smithonian National Air and Space Museum; Bild 5: L. Crause
01.01.2014
Danke für den Interessanten Artikel und die ausführliche Zusammenstellung. Freue mich auf die nächste Interstellarum!