In der neuen Ausgabe meiner „Astronomiegeschichte(n)“ geht es um Domherr Nikolaus Kopernikus, der heute vor 500 Jahren 800 Steine und 1 Tonne Kalk von der zur Kathedrale in Frauenburg (Frombork) gehörenden Ziegelei und Kalkbrennerei kaufte. Daraus entstand auf seinem Grundstück außerhalb der Dommauern der Grundstein eines neuen Weltbildes, das noch heute seinen Namen trägt.
Astronomiegeschichte(n)
Kopernikus‘ Fundament eines neuen Weltbildes
Obwohl schon im antiken Griechenland erste heliozentrische Denkweisen auftauchten, sollte das von dem in Alexandria gelebten Gelehrten Claudius Ptolemäus begründete Weltbild, in dem man die Erde im Mittelpunkt sah, für 1400 Jahre uneingeschränkt das Denken Europas bestimmen. Um die angenommenen gleichförmigen Kreisbahnen beizubehalten und dennoch die beobachteten Bewegungen der Planeten sowie von Sonne und Mond zu erklären, wurde aus dem geozentrischen Konzept ein kompliziertes Modell aus Epizykeln, Deferenten, Exzentern und Äquanten, für die teilweise rückläufige Bewegung der Planeten wurden bis zu 80 verschiedene Kreise in das System eingefügt. Angesichts der umständlichen Konstruktion soll der spanische König Alfons X. geäußert haben: „Hätte ich bei der Schöpfung in Gottes Rat gesessen, würde vieles besser geordnet worden sein.“ Aufgrund von Gotteslästerungen wie dieser wurde er 1282 vermutlich sogar entthront. Über 200 Jahre danach begann sich ein junger katholischer Student in Bologna für diese himmlische Unordnung zu interessieren. Zu dieser Zeit, dem ausgehenden 15. Jahrhundert, erlebte die Frührenaissance eine Hochzeit: Kolumbus und Vespucci erreichten Amerika, da Gama fand den Seeweg nach Indien, da Vincis Gemälde des letzten Abendmahls entstand, und Michelangelo vollendete mit der Pietá sein erstes großes Werk.
Der Student stammte aus der fernen polnischen Region Ermland und wird in den Unterlagen des dortigen Frauenburger Doms „Dominus Nicolaus Koppernick“ genannt. Während der italienischen Studienzeit wuchs seine Begeisterung für die Astronomie weiter und er hörte bereits von Einwänden gegenüber des kosmologischen Weltbildes von Ptolemäus. In Bologna führte der junge Domherr Kopernikus auch seine ersten Himmelsbeobachtungen durch. Im März 1497 beobachtete er die Bedeckung des Sterns Aldebaran durch den Mond und Anfang des Jahres 1500 verfolgte er zwei enge Konjunktionen des Mondes mit Saturn. Den Rest des Heiligen Jahres 1500 verbrachte Kopernikus in Rom, wo er am Ostersonntag einer von 200.000 Gläubigen vor der Alten Peterskirche war. Ein halbes Jahr später beobachtete der 27-jährige eine fast totale Mondfinsternis, die sich ein paar Stunden nach der berechneten Zeit ereignete. Wie aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, die er in seinem Exemplar der von Alfons X. herausgegebenen astronomischen Tafeln notierte, fand er noch weitere Unstimmigkeiten im Lauf der Gestirne. So erkannte er beispielsweise, dass Mars über 2 Grad und Saturn um 1,5 Grad von ihren vorhergesagten Positionen abwichen.

Vom Glockenturm des Doms in Frombork ist auch Kopernikus‘
ehemaliges Grundstück erkennbar; Katarzyna Czaykowska
Zurück in Preußen. Im ermländischen Domkapitel an der Ostsee war Nikolaus Kopernikus vor allem mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt, als Arzt tätig und konnte außerdem seine astronomischen Studien weiter vertiefen. Anfang Juni 1512 beobachtete er eine Opposition des Mars und erhielt außerhalb der Mauern des Frauenburger Doms einen als Allodium bezeichneten Besitz. Hier entstand bereits im Jahr darauf eine Beobachtungsstation aus 800 Mauersteinen und einer Tonne Kalk. Sie bildet gewissermaßen das Fundament eines neuen Himmelsgebäudes mit der Sonne im Zentrum. Die vor genau 500 Jahren errichtete Pavimentum genannte Plattform stand vermutlich in seinem Garten, so dass sich manche vorstellen, die Erde sei zwischen Kohl- und Salatreihen aus den Angeln gehoben worden. Auf diesem gemauerten Podest stellte der „preußische Sternforscher“ seine Instrumente für die Himmelsbeobachtung auf. Hauptsächlich verwendete er dafür einen 2,5 Meter hohen Dreistab aus Fichtenholz, an dem die Teilungen mit Tinte markiert waren.
Vermutlich verfasste der 40-jährige Kopernikus im Jahr 1513 auch den Commentariolus, seinen „Kleinen Kommentar“, in dem er die Grundgedanken eines heliozentrischen Systems festhielt und u.a. erklärte: Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt, sondern umkreist wie die anderen Planeten die Sonne, die tägliche Bewegung der Gestirne rührt von der Rotation der Erde und die teilweise Rückwärtsbewegung der Planeten ist nur scheinbar und entsteht durch die Beobachterposition auf einer sich bewegenden Erde. Für die genaue Prüfung seiner sieben Axiome verwendete er den Rest seines Lebens und 30 Jahre später war sein 200-seitiges Hauptwerk vollendet. Ein Mann des Glaubens, mehrfach zum Kanzler des Domstifts gewählt und sogar als Bischof vorgeschlagen, hatte damit nicht einfach Ptolemäus‘ „Ungeheuer“ aus Epizykeln und Exzentern vereinfacht, sondern am kirchlichen Dogma mit der Erde im Zentrum der Welt gerüttelt. Seine Arbeit wurde dennoch als Rechentrick abgetan, als „absurde Behauptung“ und von Martin Luther hieß es sogar: „Der Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren.“ Doch das war erst der Beginn der kopernikanischen Wende, die bald mit neuen Beobachtungsinstrumenten gestützt werden sollte.
31.03.2013
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