Archiv für Juni 2012



Ein „Konzertsaal“ zwischen zwei Radioteleskopen

Wie schon vor einem Monat, als das Weltraumradar im Wachtberger „Golfball“ zu einem experimentellen Jazzkonzert einlud, kamen gestern Nachmittag viele Musikbegeisterte in das Eifeldorf Effelsberg zum 100m-Radioteleskop. Denn anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Effelsberger Riesenradios war es quasi der 3.200 Tonnen schwere Ehrengast und bot selbst eine ungewöhnliche Kulisse für einen besonderen Konzertabend mit einem sinfonischen Blasorchester. Ein gesprächiger Parkeinweiser sagte mir, dass es fast 400 Anmeldungen gab. Zu Fuß ging’s für mich die Zufahrtsstraße entlang und da lugte auch schon die riesige Schlüssel zwischen den Bäumen hervor. Sogar ein Reisebus mit Solinger Kennzeichen parkte hier; es war natürlich das „Orchester-Taxi“.

Wegen des schlechten Wetters fand das geplante Open-Air-Konzert leider überdacht statt. Im Konzertzelt, das zwischen den kleinen LOFAR-Antennen und dem großen 100m-Radioempfänger aufgestellt war, war das mit knapp 70 Musikern voll besetzte Orchester mit zwei Harfen, Pauken und natürlich allerhand Blasinstrumenten gerade bei der Generalprobe. Die große Plastikbox war übrigens randvoll mit Leselampen für die Notenständer.

Danach hieß es erstmal warten bis 18:30 Uhr. Für Pauken, Fagott, Klarinetten, Oboen, Querflöten, zwei Harfen, vielen Hörnern und allerhand sonstigen Blechblasinstrumenten standen „Die Planeten“ des Komponisten Gustav Holst auf dem Konzertprogramm, und als Abschluss sollten noch einzelne bekannte Titel der Star Wars-Saga folgen. Das bekannteste Werk des Engländers Holst ist fast so alt wie der Orchesterverein aus Hilgen selbst, der dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert.

Und mitten im Notenständer-Wald warteten Fagott, Röhrenglocken und  Blechbläser.

Während sich die zahlreichen Gäste im Zelt einfanden, füllte sich langsam auch die Bühne mit den Musikern – jetzt alle schön in schwarz-weiß gekleidet. Die Instrumente wurden gestimmt.

„Wir hören in das Universum.“ So stellte Prof. Michael Kramer, einer der Direktoren des MPIfR in Bonn, hinsichtlich des musikalischen Abends den Vorteil der Radioastronomen gegenüber den Kollegen an den optischen Instrumenten vor. Damit leitete er seinen Kurzvortrag zu dem Effelsberger Teleskopgiganten, der mit 100 Meter Durchmesser den zweitgrößten vollbeweglichen Radioempfänger besitzt, ein. Im Jahr 2000 wurde er leider nur um ein paar Meter von dem neuen GBT-Radioteleskop in West Virginia übertrumpft. Im Frühjahr 1971 hatte der weiße Technikkoloß bereits sein First Light – ein Supernovaüberrest nördlich von Deneb -, nach folgenden Testbeobachtungen wurde schließlich im Sommer 1972 offiziell der Messbetrieb aufgenommen.

40 Jahre liegen nun hinter dem Radioteleskop Effelsberg. Da stellt sich durchaus die Frage wieviel Energie der riesige Reflektor in dieser Zeitspanne empfangen hat. Laut Kramer, der aufgrund seiner Arbeit mit Pulsaren als Testobjekte zur Relativitätstheorie eine Krawatte mit Einstein-Konterfei trug, sind es „Pi mal Daumen zehn millionstel Watt“.

Es gab aber nicht nur trockene Zahlen und Fakten, so wurde mit Pulsar-Hörbeispielen bereits auf den musikalischen Abend eingestimmt. Zuerst waren es die „Bongospieler“-Rhythmen langsamer Neutronensterne – z.b. des Krebspulsars -, es folgten die mit 700 Hz hochfrequenten Millisekundenpulsare mit gleichbleibendem Ton ohne Peaks und selbst ein Flug durch einen Kugelsternhaufen mit 20 solcher Pulsare wurde eingespielt. Zu hören gab es auch die neueste Entdeckung der Effelsberger Radioastronomen, denn erst letzte Woche wurde hier von einem Studenten ein neuer schneller Pulsar gefunden. Nach zu hörenden Schallwellen in der heißen strahlungsdominierten Anfangsphase des Kosmos und den an R2D2 erinnernden zwitschernden Radiolauten von Jupiter, der mit seinem Mond Io interagiert, betrat endlich mit dem Taktstock in der Hand der Dirigent die Bühne.

Und mit den ersten vier Stücken aus Holsts Planeten-Komposition begann der Konzertabend. Schon die filmreife Spannungsmusik des Planeten-Openers Mars zeigte unverkennbar Holsts Einfluss auf moderne Filmmusik-Komponisten wie John Williams oder Danny Elfman, dessen Thema aus Ang Lees Hulk deutlich rauszuhören war.

Während andere sich in der Pause bei Nieselregen mit Regenschirm bewaffnet mit Snacks und Getränken versorgten, hab ich vom LOFAR-Areal – der Weg da durch hat sogar einen Namen – ein paar Bilder zusammen mit dem überdachten weißen „Konzertsaal“ und dem 100m-Radioteleskop gemacht.

Der Dirigent und die Musiker warteten schon.

Mit den Planeten Saturn, Uranus und Neptun wurde Holsts Komposition vervollständigt. Pluto bleibt unerwähnt, da er erst kurz vor Holsts Tod entdeckt wurde und, wie der Dirigent richtig bemerkte, auch kein Planet ist. Im Anschluss folgten noch einige allseits bekannte Titel aus Stars Wars und als Zugabe wurde das Hauptthema aus Out of Africa gespielt. Für diesen wunderbaren Konzertabend folgten vom Publikum rauschender Beifall und massenhaft Standing Ovations.

Bis auf die Stühle war schon nach 10, 15 Minuten die Bühne leer, die Harfen wurden in Autos verladen und auch die vier Pauken waren bereits abfahrbereit.

Unterwegs zum Haupttor wurde der weiße Riesenreflektor geschwenkt, so dass ich noch ein paar Natur-und-Technik-Fotos machte.

Nach der Fahrt aus dem kleinen Eifeltal hatte man von Effelsberg einen wundervollen Blick auf das zwischen den Hügeln hervorlugende Riesenteleskop im Abendlicht und auf die letzten Sonnenstrahlen inmitten eines malerischen Farbenspiels.

25.06.2012

Astronomie in Hamburg gestern und heute – Teil 2

Nichts erinnert mehr an die jahrhundertelange Astronomiegeschichte Hamburgs, ihre Wurzeln sind längst aus der Stadt verschwunden. Sowohl die 1722 von Johann Beyer im sog. Steerenkiker-Huus/Steerenkiekerhus eingerichtete Privatsternwarte, als auch das benachbarte Baumhaus, in dem Johann Georg Büsch ab 1790 astronomische Beobachtungen durchführte, gibt es nicht mehr. Auf dem Gelände des heutigen Sintfangs, wo Johann Georg Repsold 1802 eine kleine Fachwerkhütte als Sternwarte errichtete, während er in einem alten Artillerie-Wachthaus wohnte, steht eine Jugendherge, auf dem Grundstück der ehemaligen Sternwarte am Millerntor befindet sich heute das HamburgMuseum, auch die dazu gehörende Zeitball-Anlage auf dem Kaiserspeicher ist nicht mehr und selbst Heinrich Schumachers Observatorium in Altona ist neu bebaut worden. Sogar das Wandsbeker Schloss, in dem der berühmte Astronom Tycho Brahe ab 1597 für fast ein Jahr wohnte, bevor er nach Prag ging, existiert nicht mehr; es läge heute im Wandsbeker Zentrum.

Wenn man also Astronomie in Hamburg sucht, bleibt heute nur ein Besuch der 1912 fertiggestellten Sternwarte in Bergedorf. Und ich hatte das Glück, dass sie heute vor zwei Wochen während meines Städtetrip-Wochenendes zu ihrem 100-jährigen Bestehen zum Tag der offenen Tür einlud. Neben dem Teleskoppark freute ich mich auf die Ausstellungen im Hauptgebäude, doch ich musste erstmal feststellen, dass dafür leider kein Personal abgestellt wurde. Eine nette Mitarbeiterin hat dann extra für uns zwei die Tür zu Bernhard Schmidt aufgeschlossen. Ein Tisch ist mit vielen Originalen – den Hut etwa findet man  hier wieder – hergerichtet und zeigt ein Modell seiner Spiegelschleifmaschine.

1916 entstand aus einem an die Sternwarte Bergedorf gerichteten Brief, dem Schmidt Himmelsaufnahmen mit 31 Meter Brennweite beifügte, sofort eine enge Zusammenarbeit mit den Hamburger Astronomen. 1926 zog der „große Zauberer“ aus seiner „Hexen-Küche“ in Mittweida schließlich komplett nach Hamburg und hatte hier als freiwilliger Mitarbeiter im Keller des Hauptgebäudes seine Werkstatt.

Auch ein Modell des Großen Schmidtspiegels mit einem 1,2m-Spiegel, der Ende 1954 sein First Light hatte, ist hier zu sehen. Heute steht das Teleskop in Spanien im Calar-Alto-Observatorium und ist seit 2000 außer Betrieb.

Vom ehemaligen Schmidtspiegel-Gebäude hat man heute einen Blick auf Bernhard Schmidts Grab. Der „Per Aspera“-Schriftzug ist schon etwas abgenutzt.

Außer dem kleinen Schmidt-Museum gibt es im Hauptgebäude im oberen Flur weiter reichlich Hamburger Astronomiegeschichte. Dort steht z.b. ein Modell des 1825 fertiggestellten Repsold’schen Observatoriums am Millerntor.

30 Jahre später erhielt es einen zusätzlichen Turmanbau, dessen Kuppel heute das einzige ist, was von diesem Gebäude übrig geblieben ist, denn sie ist komplett mit Teleskop und Beobachterfahrstuhl nach Bergedorf umgezogen.

Daneben steht das mannsgroße und sehr detaillierte 1:10-Modell der Zeitball-Anlage, die 1876 auf dem Turm des Kaiserspeichers in Betrieb ging und durch ein tägliches Zeitsignal von der Millerntor-Sternwarte gesteuert wurde. Wie in Teil 1 zu meinem Städtetrip berichtet, entsteht an der Stelle des ehemaligen Kaispeichers an der Kehrwiederspitze die Elbphilarmonie.

Neben reichlich Infopostern an den Flurwänden und im Treppenhaus liegt in einer Vitrine das älteste Objektiv der Hamburger Sternwarte. 1819 wurde auf Repsolds Auftrag hin diese 108mm-Linse in Fraunhofers Werkstatt in Benediktbeuern hergestellt. Vermutlich ging seine Bestellung auf einen Brief zurück, in dem Fraunhofer ihm im März 1819 über einen „neuen Apparat“ mit 108mm Öffnung und 1,6m Brennweite schrieb, mit dem er „die Natur des Lichtes der Fixsterne“ studierte und damit z.b. helle Sterne wie Sirius, Beteigeuze und Kapella beobachtete.

Weitere interessante Kleinigkeiten findet man im Vortragsraum unter dem Cafe „Raum & Zeit“ im Besucherzentrum. In Schaukästen ruht hier gleich neben Flamsteeds Katalog u.a. das 1852 veröffentlichte Verzeichnis von Carl Rümker, der ab 1836 auf der Millerntor-Sternwarte 12.000 Sternpositionen vermaß. Dieses Werk war den Bergedorfer Astronomen rund 70 Jahre danach sogar eine Reduktion wert. Dazu wurden 5.000 Sternörter in 860 Nächten mit dem unter einem Tonnendach aufgestellten neuen Meridiankreis erneut vermessen.

Außerdem ist ein Chronometer ausgestellt, den der Hamburger Kaufmann Eduard Lippert, der bereits der Sponsor des Lippert-Astrografen war, 1919 der Sternwarte schenkte und daneben steht ein 1914 gekauftes UV-Triplett-Objektiv mit 3,45m Brennweite von Carl Zeiss Jena.

Was gab’s noch an Kleinigkeiten zu sehen? Beispielsweise diese vor dem Besucherzentrum stehende Mondkuh.

Ich bin eine Spiegelung auf der Sonnenoberfläche, denn natürlich hat das große Gelände auch einen eigenen Planetenpfad zu bieten.

Der nächste Teil führt dann durch das Sternwartengelände von Bergedorf.

23.06.2012

50 Jahre Röntgenastronomie im Okular

22./23. Juni 2012 – Freitag/Samstag

Obwohl jetzt wieder die Milchstraße mit ihren Schätzen in Richtung Schütze lockt, fehlt bei mir gerade in den kurzen Sommernächten manchmal die Muße rauszugehen und den 12-Zöller zu aktivieren. Letzte Nacht hab ich mich dann doch zu einer ungeplanten kleinen Mikroquasar-Spechtelsession zum Thema „50 Jahre Röntgenastronomie“ hinreißen lassen.

Abends gab’s erstmal einen Dämmerungshimmel mit schönen roten Farbtupfern. Die letzten Wolken verzogen sich und anschließend lockte eine sternenklare Nacht, in der ich selbst vom Garten aus gut das Milchstraßenband mit einer auffälligen Schildwolke über dem Schützen sehen konnte.

Hans Geiger hat sich sicherlich nie träumen lassen, dass man einmal seine Erfindung mit Raketen in den Himmel schießt, um außerirdische Röntgenstrahlen zu messen. Wenn er nicht schon 1945 an seinem schweren Rheumaleiden gestorben wäre, hätte er fast 80-jährig vielleicht noch erlebt, wie Mitte Juni 1962 drei Geigerzähler in einer Aerobee-150-Rakete in eine erhellte Vollmondnacht starteten. Eigentlich sollten sie Röntgenstrahlen vom Mond detektieren, wie weitere Flüge jedoch bestätigten, fanden sie stattdessen ein viel weiter entfernteres Objekt im Skorpion. Nach der Sonne war Sco X-1 die zweite bekannte astronomische Röntgenquelle und tatsächlich handelt es sich hier um die stärkste Röntgenquelle am Himmel überhaupt.

Kurz vor Mitternacht tastete ich mich schon mal mit einem 10×50 an die richtige Stelle etwa 11° nördlich von Antares. Punkt halb 1 hatte ich dann Sco X-1 im Okular. Naja, es war natürlich nur das optische Gegenstück V818 Sco, um das der Neutronenstern als eigentliche Röntgenquelle kreist. Den Neutronenstern kann man sogar als visueller Beobachter indirekt sehen, denn während seines Umlaufs heizt er die helle Hauptkomponente so auf, so dass es zu periodischen Lichtwechseln zwischen 12,0 und 13,0mag kommt. Bei meiner 10-minütigen Beobachtung konnte ich die Helligkeit zu 12,5mag bestimmen. Übrigens hat Riccardo Giacconi, einer der Entdecker von Sco X-1, vor zehn Jahren den Nobelpreis für Physik erhalten.

Als nächstes peilte ich V615 Cas an. Auch hier wird ein massereicher Stern von einem kompakten Objekt umkreist, dass in diesem Fall bereits als Mikroquasar bezeichnet wird. Ende der 1970er Jahre wurde das Sternsystem als Radioquelle entdeckt und seit ein paar Jahren ist es sogar als TeV-Beschleuniger höchster Energien bekannt. Mit der Aufsuchvergrößerung von etwa 40-fach war von diesem hochenergetischen Objekt im Okular nur ein 10,8mag heller Lichtpunkt zu sehen. In unmittelbarer Nähe steht der Planetarische Nebel WeBo 1, über den ich diese Woche berichtet habe. Hier musste das 9mm-Okular her, aber natürlich sah ich hier nur indirekt den zentralen 14,5mag hellen Riesenstern, in dessen Licht sich ein sehr heißer Weißer Zwerg verbirgt.

Anschließend wollte ich zuerst zur Seyfert-Galaxie IRAS 01072+4954, es ging dann aber doch hoch in den Schwan zur nächsten Röntgenquelle. Direkt in der Nähe von eta Cyg ist Cyg X-1 bzw. der helle Stern HDE 226868 als 8,9mag heller Lichtpunkt schon im Sucher sichtbar, in einer Linie aus zwei gleich hellen Nachbarsternen. So gesehen dürfte es sich hierbei um das hellste Sternsystem mit einem Schwarzen Loch handeln. Bei diesem Mikroquasar wird ein 30.000 Kelvin heißer Überriese von einem Schwarzen Loch mit 15 Sonnenmassen und einer Umlaufperiode von 5,5 Tagen umkreist. 1964 wurde diese Röntgenquelle ebenfalls mit Geigerzählern in einer Aerobee-Rakete entdeckt.

Als Abschluss meiner Mikroquasar-Tour bin ich zu SS 433, dem Prototypen dieser Klasse, im Sternbild Adler. Zumindest wollte ich das, denn offensichtlich hatte sich schon eine gewisse Müdigkeit eingestellt und wer ahnt denn auch, dass SS 433 und SS 443 beide im gleichen Sternbild stehen. So bin ich schließlich beim ungefähr 13,0mag hellen Emissionslinien-Stern SS 443 gelandet.

Mit dem 10×50 war ich zwischendurch noch kurz bei BD+48 740, von dem ich erst ein paar Stunden zuvor eine interessante Arbeit gelesen hatte. Mit dem Fernglas war das Feld zwischen Perseus und Andromeda gut zu finden, der Zielstern steht nur ein halbes Grad südwestlich von theta Per. Bei diesem  8,7mag-Stern handelt es sich um einen lithiumreichen Stern auf dem Riesenast. Aus dieser Eigenschaft und dem Fund eines umkreisenden Planeten auf sehr exzentrischer Bahn schließt man, dass der Riesenstern kürzlich einen Gesteinsplaneten verschlungen haben könnte.

Irgendwann kurz nach 3 – der Nachthimmel hellte sich bereits sichtbar auf – beendete ich meine kleine Beobachtungsrunde im Garten. Auf den „kaputten Jupiter“ wollte ich dann doch nicht mehr warten. So habe ich in dieser Nacht zwar nur wieder Lichtpunkte beobachtet, aber es macht einfach Spaß bei einigen Sternen aus diesem unendlich großen Meer voller Sonnen mal genauer hinzusehen. Dann werden im Okular aus bloßen Punkten kochende Kugeln aus Gas, Plasmawelten mit unvorstellaren Eigenschaften und unerreichbare Physiklabore, die man sogar mit einem Geigerzähler „sehen“ kann. Denn wie heißt es bei „Fringe“ so schön? „Benutzen sie ihre Fantasie.“

23.06.2012

Wird Higgs-Entdeckung in zwei Wochen bestätigt?

Einiges deutete letzten Sommer (Zusammenfassung aus Dezember) darauf hin, dass sich hinter einem mit dem ATLAS- und CMS-Detektor am LHC entdeckten Signal bei 125 GeV das langgesuchte Higgs-Boson versteckte. Doch bevor man voreilig von einer richtigen Entdeckung sprach, wollten die Teilchenphysiker erst auf Nummer sicher gehen und erhöhten die TeV-Energien am LHC. Nun brodelt seit ein paar Tagen wieder die Gerüchteküche um das verdächtige 125-GeV-Signal. Zuversichtlich bloggt ein Physiker sogar schon: „Higgs Discovery Announcement July 4“. In zwei Wochen findet nämlich in Melbourne eine Konferenz statt, auf der auch die neuesten LHC-Daten vorgestellt werden sollen. Und vielleicht wird es dann tatsächlich ein denkwürdiger Tag für die CERN-Physiker. Immerhin stellt er ein gutes Omen dar, denn damals im Jahr 1984 war es ebenfalls ein Mittwoch, 04. Juli, als sie die Entdeckung des Z-Bosons bekannt gaben.

22.06.2012

KBA-Amateurastronom mit eigener Briefmarke

Wie schon früher berichtet (Bild 10) kam Daniel mit einer acht Jahre alten Venustransit-Skizze, die nun auf einer Sondermarke in Südafrika erscheint, unverhofft zu philatelistischen Ehren. Gestern bloggte er nun über den Erhalt des gestempelten Ersttagsbriefes; goldene Schrift ziert die Briefmarke mit einem Wert von 27,40 Rand (2,74 Euro) für ein 100g-Päckchen. Hier finden sich noch viele weitere Abbildungen dieser besonderen Postsendung aus Südafrika.

21.06.2012

Binärer Zentralstern von WeBo 1 bestätigt

Bei der Untersuchung der Röntgenquelle V615 Cas entdeckte der Astronom Ronald Webbink im Jahr 1995 zufälligerweise nur 5 Bogenminuten entfernt ein kleines, schwaches Nebelchen. Durch den Mitentdecker Howard Bond bekam das bisher unbekannte Objekt die Bezeichnung WeBo 1. Erst 2002 wurde über diesen unverhofften Fund berichtet. Es war auch das erste Mal, dass sich ein Barium-Stern als Zentralobjekt eines Planetarischen Nebels herausstellte.

Letzte Beobachtungen, die im Juli 2011 mit dem Swift-Weltraumteleskop durchgeführt wurden, scheinen jetzt zu bestätigen, dass um den 14,5mag hellen K0-Riesenstern ein heißer Weißer Zwerg kreist, der für die eigentliche Anregung des Nebels verantwortlich ist. Doch die genaue Ermittlung der Parameter des kompakten Begleiters gestaltet sich nicht so einfach.  Im Vergleich zu PG 1159-035, der zur Gruppe der heißesten Weißen Zwerge gehört, sowie mit weiteren Modellannahmen konnten die bisherigen Daten nur für eine Mindesttemperatur von 40.000 Kelvin sprechen. Die tatsächliche Temperatur könnte gut zwischen 100.000 bis 200.000 Kelvin liegen.

Der Planetarische Nebel WeBo 1 steht inmitten des Heart and Soul-Nebelgebietes.

ESA, ESO, NASA, FITS Liberator, Davide De Martin

18.06.2012

Wie baut man einen Tatooine?

Wie können Exoplaneten entstehen, die um gleich zwei Sonnen kreisen? Das fragt man sich seit der Entdeckung eines zirkumbinären Gasplaneten bei dem Doppelsternsystem Kepler 16. Und auch mit neuesten Simulationen einer englischen Forschergruppe bleibt das Entstehungsszenario für die sog. Tatooine-Planeten von Kepler 16, 34 und 35 weiterhin rätselhaft.

Wie übrigens auf der AAS-Tagung vergangene Woche bekannt gegeben wurde, ist mit Kepler 38 mittlerweile der vierte Kepler-Planet entdeckt worden, der sich um einen Doppelstern bewegt. Kepler 16 mit seinen 11,8mag bleibt aber weiterhin das hellste Binärsystem mit einer Tatooine-Welt.

18.06.2012

Astronomie in Hamburg gestern und heute – Teil 1

Glück muss man haben. Genau an dem Wochenende unseres seit Monaten geplanten Hamburg-Trips lud die Sternwarte in Bergedorf zum Tag der offenen Tür ein. Ein Tag nach dem grauen Venusdurchgang-Mittwoch ging’s los; daran, dass der Transit in Hamburg beobachtbar war, dachte ich absichtlich nicht mehr. Umso mehr lockte am Samstagabend die einstige Arbeitsstätte von Baade und Schmidt in Bergedorf.

Nach Ankunft in der Hansestadt mit seinen fast 2.500 Brücken ging’s direkt zum Planetarium im Hamburger Stadtpark. Spatenstich für diesen rund 60 Meter hohen Wasserturm war vor genau 100 Jahren, wegen des Krieges konnte der Bau erst 1915 beendet werden. Keine 10 Jahre war der Wasserturm regulär in Betrieb, 1925 wurde bereits ein Planetariumsprojektor bei Carl Zeiss Jena bestellt, der über 3 Millionen Liter fassende Tank befindet sich noch heute in dem roten Backsteinbau.

Übrigens befand sich bis 2002 direkt über dem Schriftzug „Planetarium“ eine nach Repsold benannte Volkssternwarte.

Im April 1930 – 2 Monate nach der Entdeckung Plutos – fand die erste Planetariumsvorführung in dem ehemaligen Wasserturm statt. Im Jahr darauf zählte man bereits über 100.000 Besucher. So informiert eine Ausstellung im Eingangsbereich zur Geschichte des Hamburger Planetariums. In einem Schreiben vom 31. März 1930 kann man nachlesen, wie den geschätzten Einnahmen von 59.000 Reichsmark (1 Reichsmark Eintrittsgeld) Ausgaben von 21.200 Reichsmark gegenüberstehen. „Bitte ausprobieren!“ lockt heute außerdem ein Stuhl aus der originalen Bestuhlung.

Die gezeigte Replik von Coronellis großem Himmelsglobus von 1683 hat zwar keinen Hamburgbezug, ist aber auf jeden Fall ein Blickfang. Der im Original 3,8 Meter große Globus wurde für den Sonnenkönig Ludwig XIV. angefertigt und sollte eigentlich das Schloss Versailles schmücken. Dies erklärt auch ein mir zuvor unbekanntes Sternbild auf dem Globus: „La Fleur de Lys“ kann man hier nachlesen. Dieses Bild über dem Rücken des Widders soll eine stilisierte Lilie – zu Ehren des Sonnenkönigs – darstellen.

Anhand des links neben Orion dargestellten Stiers erkennt man die damals übliche „seitenverkehrte“ Bauweise.

Da wir die geplante Vorführung nur um 3 Minuten verpasst hatten, musste die Aussichtsplattform als Entschädigung herhalten. Hier hat man aus 42 Meter Höhe einen tollen Blick auf die Grünflächen des Parks mit dem Stadtparksee und in Richtung Elbe auf die fernen Kirchturmspitzen des Stadtkerns.

Im Treppenhaus hingen großformatige Poster.

Witzig sind auch die WC-Schildchen gestaltet.

Und nach diesem kurzen Planetariumsbesuch verabschiedeten wir uns von der Space-Cow, bei der sogar an den lebensnotwendigen Funkkontakt gedacht wurde.

Donnerstagabend schauten wir noch beim Hamburger Michel vorbei. Übrigens hat die Kirche St. Michaelis sogar eine interessante wissenschaftliche Vergangenheit vorzuweisen. So wählte man für eine Landvermessung seine Turmspitze als Hamburgs geodätischen Nullpunkt. Wenig später im Oktober 1818 nutzte auch Gauß den Kirchturm für seine Vermessungsarbeiten und peilte ihn von Lüneburg aus an. Im Nachhinein ärgerte sich der Göttinger Mathematiker darüber, da er „als Zielpunkt der allerschlechteste“ war, denn der hohe Turm schwankte um eine halbe Bogenminute.

Und doch führte diese Beobachtung zu einer neuen Erfindung – heute als Heliotrop bekannt -, wie Gauß später berichtete. Über seine Idee schrieb er Ende 1820 an Olbers: „Erste Veranlassung gab dazu die Erinnerung an eine Erfahrung, die ich 1818 in Lüneburg machte, wo ich in der Entfernung von 6 Meilen [44,5 Kilometer] das zufällig von einem Sonnenstrahl getroffene Fenster des obersten Kabinets im Michaelisthurm in Hamburg als einen überaus glänzenden Lichtpunkt sah.“

Und genau 2 Jahre später führte Gauß im Oktober 1820 hier vom Hamburger Michel erste Testbeobachtungen mit dem anfangs „Heliostat oder Heliotrop oder Sonnenspiegel“ genannten Instrument durch. Sogar das 60 Kilometer bzw. 8 Meilen entfernte Lübeck wollte er von hier aus anpeilen.

Zuvor ist der Kirchturm bereits durch Fallexperimente bekannt geworden. Den in Elberfeld bei Wuppertal geborene Johann Friedrich Benzenberg, der bei Lichtenberg Astronomie studiert hatte, zog es um 1800 in die Hansestadt an der Elbe. Zunächst greift er hier nochmal sein Dissertationsthema auf – „Ueber die Bestimmung der geographischen Länge durch Sternschnuppen“ – und beobachtete vom heutigen Stadtteil Hamm weiter Sternschnuppen. Noch Jahrzehnte danach schrieb er: „Uebrigens bleibe ich bei der Meinung die Lichtenberg im Jahr 1798 hatte, dass der Mond ein unartiger Nachbar ist, weil er die Erde mit Steinen begrüsst.“

In den Jahren 1801 und 1802 wird der Kirchturm von St. Michaelis zu Benzenbergs Physiklabor. Ein halbes Jahrhundert vor Foucault und seinen Pendelversuchen ließ Benzenberg für den Nachweis der Erdrotation hier im Turminneren Bleikugeln unterschiedlicher Größe aus einer Höhe von 76 Metern fallen. Unten schlugen sie in dafür vorgesehene Holzbretter, wobei es fast zu einem tödlichen Unfall seines Helfers gekommen wäre. Benzenberg schrieb: „Ich selbst konnte bey der Beobachtung nicht hinunter sehen und schneide die folgende Kugel los, welche so dicht an Karstendik vorbey fällt, dass sie ihm den Hut und die Perücke abschlägt und etwas an der backe streift.“

Die bei diesen Fallversuchen von Benzenberg gemessene Ostabweichung von 9 Millimetern wurde auch von Gauß mathematisch bewiesen.

Und was bietet der Michel nach 200 Jahren? Heute lockt der Turm nachts auf die 106 Meter hohe Aussichtsplattform und bietet ein tolles Panorama über Hamburgs Meer aus bunten Lichtern und Spiegelungen. Aus Benzenbergs Stadt von damals mit nur 120.000 Einwohnern ist eine Millionenstadt mit der heute typischen Lichtverschmutzung geworden.

Zu zweit ging’s am Freitag in die Speicherstadt und verbrachten die nächsten Stunden im Miniatur-Wunderland. Inmitten von riesigen Modelllandschaften, -flughäfen und -städten, detailverliebten Alltagsszenen und Gleisen so weit das Auge reicht, fand ich auch die eine oder andere abgespacete Miniatur. Beispielsweise ist das im Schweiz-Abschnitt dargestellte Observatorium der Gornergrat-Sternwarte  nachempfunden. Die Türme des originalen Berghotels erhielten in den 1960-Jahren zwei Kuppeln, unter denen sich ein Infrarot- sowie ein Radioteleskop befand.

Kleine grüne Männchen konnte man auch entdecken. Mal spielten sie Basketball, mal experimentierten sie in Area 51 oder sie versteckten sich vor UFO-Gläubigen. Ich kann mir nicht helfen, aber ich musste hier unwillkürlich an CENAP-Chef Werner Walter denken.

Und direkt neben Las Vegas konnte man regelmäßig die Endeavour beim Liftoff verfolgen. Ja, die Shuttles fliegen also doch noch.

Zurück ans Elbufer. Von den Landungsbrücken fällt seit Jahren unweigerlich der Blick auf die größte Kulturbaustelle Europas. An der Stelle, wo heute die Glasfassaden der Elbphilharmonie gleichsam mit den Kosten in die Höhe schießen, fiel auf dem Dach des Kaispeichers A 2x am Tag der Hamburger Zeitball. Aus ähnlicher Perspektive und mit etwa vergleichbarem Größenverhältnis sah der sog. Kaiserspeicher damals noch so aus. Deutlich ist hier die Zeitball-Anlage auf dem Speicherturm zu sehen.

5 Kilometer von den Landungsbrücken flussabwärts wartete ein nächstes Ausflugsziel. Eine lange Treppe mit 141 Stufen, die passenderweise den Namen Himmelsleiter trägt, führte hier ans Elbufer. Perfektes Segelwetter wie man an dem regen Verkehr auf der Elbe sah. Schließlich kam am Sandstrand der große Granitblock in Sicht: Der alte Schwede, der älteste Einwohner Hamburgs. Treffender kann man diesen 4,5 Meter hohen Findling nicht bezeichnen. Dieser rund 1,7 Millionen Jahre alte Brocken wurde in Südschweden von den eiszeitlichen Gletschermassen mitgerissen und lagerte sich hier vor vielleicht 400.000 Jahren ab. Im Herbst 1999 wurde er in der Elbe auf der Höhe von Övelgönne gefunden, im Juni darauf wurde er eingebürgert.

In Teil 2 folgt mein Besuch der Hamburger Sternwarte in Bergedorf.

15.06.2012

Neue Amateurentdeckungen von Planetarischen Nebeln

Ein heute online erschienenes Paper stellt die Entdeckung von gleich sechs schwachen Nebeln vor. Nach den Hobbyastronomen Nicolas Outters, Pascal Le Dû und Filipe Alves werden die Objekte als Ou 1 bis Ou 4, lDû 1 und Alv 1 bezeichnet. Während es sich bei den meisten Entdeckungen um schwache Planetarische Nebel handelt – die PN-Natur von Ou 1 muss noch spektroskopisch bestätigt werden -, zeigt sich Ou 4 als „tricky object“ – zu sehen auf Seite 14.

Eine Belichtungszeit von insgesamt 38 ½ Stunden mit drei verschiedenen Filtern führte erst im Juni 2011 zur Entdeckung dieses interessanten Nebels. Der Grund dafür wird der mit 5,5mag blendend helle Stern HD 202214 sein, der in der Mitte des lichtschwachen 20 Bogenminuten breiten und über 1° langen Nebels liegt. Trotz seiner Position handelt es sich bei diesem 37 Sonnenmassen schweren Stern um einen  falschen Zentralstern. Wahrscheinlicher ist, dass es sich bei dem 6,8mag hellen Begleiter Ab in 0,05 Bogensekunden Abstand um einen Vordergrundstern handelt, der zugleich die Ionisationsquelle des Planetarischen Nebels darstellt.

Sollte sich dies bestätigen, wäre Ou 4 mit 100 bis 150 Lichtjahren Entfernung der nächste Planetarische Nebel überhaupt.

13.06.2012

Nachlese der KBA-Venustransit-Expeditionen

Im Nachbarblog „Bonner Sterne“ kann man sich jetzt die Ausbeute der von KBA-Mitgliedern unternommenen Rügen- und Rhodos-Reisen zum Venustransit ansehen: Die Ausbeute der beiden KBA-Expeditionen auf Inseln mit „R“. Und den bildreichen Bericht zur gesamten Rhodos-Exkursion kann man hier nochmal in umgekehrter Chronologie nachlesen – inkl. der geschlossenen Venusatmosphäre kurz vor dem Transit.

13.06.2012


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